Brücken:Auf Kurs in die Katastrophe

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Der Einsturz der Morandi-Brücke in Genua lässt Leser über die aus ihrer Sicht verantwortungslose Verkehrspolitik in vielen Ländern sinnieren. Einer warnt aus diesem Grund eindringlich vor Public Private Partnership.

Symbol für eine verantwortungslose Verkehrspolitik: die Überbleibsel der Morandi-Brücke in Genua. (Foto: Nicola Marfisi/AP)

" Stolz und Vorurteil" vom 31. August, " Es bröckelt und bröselt allerorten" und "Zwischen Himmel und Erde" vom 16. August:

Neoliberales Credo

Chaotisch überfüllte Flughäfen, Flugpläne mit Empfehlungscharakter, ausfallende Züge der Eisenbahnen und ein aus den Nähten platzendes Straßennetz - das sind die Ergebnisse einer Politik, die sich mit dem neoliberalen Credo längst aus der Verantwortung für die fatalen Zustände der deutschen und europäischen Infrastruktur verabschiedet hat und alles "dem Markt" überlässt - einem Markt, der nach Regeln des 19. Jahrhunderts funktionieren soll, die von der Entwicklung bis hin zur Globalisierung aber längst ausgehebelt wurden. Über 40 Tote in Genua sind nicht die einzigen Opfer dieser politischen Verantwortungslosigkeit. Grund und Boden stehen nur einmal zur Verfügung und sind nicht vermehrbar. Es können nicht beliebig viele Straßen, Eisenbahnstrecken und Wasserstraßen gebaut werden, weil der Verbrauch an Boden und Natur in einem vernünftigen Verhältnis zu den zur Verfügung stehenden Kapazitäten stehen muss.

Eine hieran orientierte Verkehrspolitik hätte die Aufgabe, ein Verkehrsnetz zur Verfügung zu stellen, das gesellschaftlichen und damit auch ökonomischen Anforderungen Rechnung trägt. Dabei geht es um durch volkswirtschaftliche Daten gesetzte Grenzen und nicht um betriebswirtschaftliche Prämissen. Bodenverbrauch und Naturvernichtung gehören in diese Rechnung. Diese Verkehrspolitik gibt es nicht - weder in Deutschland noch in Europa.

Waldemar Hirsch, Heidenheim

Schädliche Schwergewichte

Es wurde bei der Berichterstattung über den Einsturz der Autobahnbrücke bei Genua zwar am Rande darauf hingewiesen, dass die Fahrzeugmenge, für die die Brücke vor 50 Jahren konzipiert und berechnet war, erheblich zugenommen hat. Aber dass nicht nur Pkw durch die Zunahme der (unnötigen und unsäglichen) SUV inzwischen ein Gewicht von früheren Kleinlastern haben, sondern auch die erlaubte Breite und die Tonnage der Lkw in den vergangenen Jahren europaweit immer weiter erhöht wurden, das dürfte noch bei so mancher Brücke teurere Nachbesserungen notwendig machen.

Von daher sollten für solche Fahrzeuge endlich die Steuern, am Gewicht orientiert, drastisch erhöht werden. Denn vor allem die Schwergewichte schaden der Verkehrsinfrastruktur überproportional.

Rainer Widmann, Wuppertal

Gegen Public Private Partnership

Wie zu erfahren war, ist die eingestürzte Brücke in Genua genauso wie Tausende andere Brücken, Flugplätze und Autobahnen in privater Hand, und es werden gigantische Profite dabei gemacht. In Deutschland haben wir (noch) den größten Teil des Autobahnnetzes und die Brücken in öffentlichem Eigentum. Allerdings werden Brücken und Straße zunehmend marode. Weshalb? Straßen und Brücken in öffentlicher Hand werden regelmäßig überprüft und sollten in gutem Zustand erhalten werden. Sie sind öffentliches Gut - finanziert durch Steuermittel und Maut für Lkw. Bereits unter Verkehrsminister Alexander Dobrindt und dem einstigen Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel wurde von Lobbyisten massiv versucht, statt öffentliches Eigentum sogenannte Public Private Partnership (PPP) zunehmend zum Zuge kommen zu lassen, weil dies angeblich billiger kommt.

Doch wie kann es billiger werden, wenn die Materialkosten gleich sind? Durch Verschlechterung der Arbeitsbedingungen beim Straßenbau und der Verwaltung sowie Verringerung der Nachfolgeinvestitionen für Unterhalt und Reparaturen - denn einziger Antrieb von PPP ist Profitmaximierung. Durch die Ereignisse in Genua wurde jetzt bekannt, dass die Konzerne, der die Brücke gehört, 2017 über 3,2 Milliarden Euro Profit eingesackt haben, aber nur 650 Millionen Euro in den Erhalt investiert haben. Da knallen die Champagnerkorken bei den Aktionären und Managern. 43 tote Menschen, zahlreiche Verletzte und Hunderte Wohnungslose sind halt so etwas, was beim Militär als Kollateralschaden bezeichnet wird.

Deshalb muss für Deutschland gelten: Straßen, Brücken, Wasserstraßen, Schienen, Schwimmbäder, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten müssen im öffentlichen Eigentum bleiben.

Günther Schachner, Peiting

© SZ vom 05.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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