Zukunft der Arbeit:Kurzstudium für die breite Masse

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Sterben unsere klassischen Hochschulabschlüsse aus?

Sylvia Englert

(SZ vom 18.8.2001) Schon bald werden die ersten Personalfachleute eine Begegnung der dritten Art erleben: "Soso, einen Bachelor-Abschluss haben Sie also. Hier in Deutschland gemacht. Aha..." Und dann fängt das große Staunen an: Bachelor und Master, was sind das für seltsame neue Studienabschlüsse? Wie kann man die Absolventen einschätzen?

Derlei Fragen werden sich Arbeitgeber in den kommenden Jahren wohl immer häufiger stellen. Derzeit gibt es in Deutschland bereits rund 1100 Studiengänge, die mit den nach angelsächsischem Modell konzipierten Graden abschließen. Allein die TU München startet im Wintersemester mit zwölf neuen Angeboten.

Je begeisterter die Unis auf diese neuen Möglichkeiten einsteigen, desto mehr wächst aber auch die Besorgnis: Kann es tatsächlich sein, dass das bewährte Diplom in der Arbeitswelt der Zukunft keinen Platz mehr hat?

Erste Versuche

1998 wurden die neuen Abschlüsse eingeführt - zunächst versuchsweise. "Wir wollen den Bildungs- und Forschungsstandort Deutschland international wettbewerbsfähiger machen", begründete Ministerin Edelgard Bulmahn die Initiative. "Nur so können die Hemmschwellen, ein Studium anzutreten, abgebaut und andererseits dem Bedarf am Arbeitsmarkt Rechnung getragen werden."

Im Klartext: Es geht darum, der Wirtschaft Fachkräfte zu liefern - und zwar schnell. In nur sechs Semestern eines in Modulen aufgeteilten Studiums können Studierende den berufsqualifizierenden Abschluss "Bachelor" erwerben. Wer möchte, kann in vier zusätzlichen Semestern einen "Master" draufsatteln.

Kein Sparmodell

An der Ruhr-Universität Bochum gibt es die neuen Grade am längsten: Dort lief schon 1993 ein Pilotversuch. Inzwischen studiert das Gros der Eingeschriebenen nach dem neuen System. Rektor Dietmar Petzina sieht das neue Modell positiv. "Es gibt eine bessere Strukturierung der Studienverläufe", meint er. "Aber gestufte Studiengänge sind kein Sparmodell. Man wird eher mehr investieren müssen als früher, weil der Beratungsaufwand höher ist. Außerdem hat sich gezeigt, dass die Studiendauer nicht so signifikant abgesenkt werden konnte wie erwartet".

Die meisten Teilnehmer des Pilotversuchs studierten bis zum Master weiter - und das dauert insgesamt auch immerhin elf Semester. Eine Befragung an der Uni Hannover dagegen ergab, dass dort die meisten nach dem Bachelor hinaus ins Berufsleben wollen. Kritiker sehen deshalb den Kurzstudiengang für die breite Masse kommen.

Kritische Studenten

Besonders kritisch stehen viele Studierende dem neuen System gegenüber. Sie klagen darüber, dass es verschult sei, und befürchten, dass die Anerkennung im Ausland keineswegs so reibungslos klappen wird wie versprochen. "Mir persönlich scheint diese Bestrebung in Richtung ,Diplom light' eher ein Tribut an die allgemeine Sparwut im Bildungssektor zu sein", fasst Chris Huebsch, Informatikstudent an der TU Chemnitz, die Bedenken zusammen.

Andere hegen ganz konkrete Ängste: Zwar muss das Basisstudium in Deutschland kostenlos sein - aber wer sagt, dass der auf den Bachelor aufbauende Master nicht in Zukunft als "Zweitstudium" definiert und sowohl zugangsbeschränkt als auch gebührenpflichtig sein wird?

Skepsis bei den Arbeitgebern

Auf dem Arbeitsmarkt könnten es die Bachelors schwerer haben als gedacht. Bisher lässt der Bekanntheitsgrad der neuen Abschlüsse sehr zu wünschen übrig, die ungewohnten Titel werden skeptisch aufgenommen - das ergab eine Studie der informedia-Stiftung im Auftrag des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus dem Jahr 2000.

Die meisten der befragten Personalverantwortlichen sprachen sich dafür aus, Diplom und Magister zu erhalten. Doch eine friedliche Koexistenz ist kaum möglich: "Nach der Versuchsphase muss klar entschieden werden, ob neu oder alt. Dauerhaft ist keine Parallelität der verschiedenen Abschlüsse möglich, das wäre von den Ressourcen her nicht machbar", schätzt Dietmar Petzina. "Meine Prognose ist, dass Master und Bachelor das repräsentative Ausbildungssystem an deutschen Universitäten werden wird." Die Entscheidung wird schon bald fallen: 2002 werden die neuen Abschlüsse nach ihrer Testphase evaluiert.

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