Zukunft der Arbeit:Arbeit so viel man will

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Wird in Zukunft jeder Teilzeit arbeiten können, wenn er es möchte?

Sylvia Englert

(SZ vom 28.5.2001) Bis vor wenigen Jahren war Teilzeitarbeit etwas für Datentypistinnen und Verkäuferinnen. Das glaubten zumindest viele. Nicht im Traum wäre es einem hoch qualifizierten Spezialisten eingefallen, seine Stunden zu reduzieren. Doch die Zahl derer, die Beruf und Familie besser verbinden wollen oder die erkannt haben, dass es noch andere wichtige Dinge im Leben gibt, steigt - und mit ihr die Teilzeitquote.

Teilzeitarbeiter haben mehr Zeit für die Familie (Foto: N/A)

Eine Erhebung des Instituts für Sozialforschung und Kommunikation (SOKO) in Bielefeld vom Oktober 2000 hat ergeben, dass das Image der Teilzeit zwar noch zu wünschen übrig lässt, aber dennoch knapp die Hälfte der Befragten gerne ihre Arbeitszeit reduzieren würde. "Bei den Leuten mit höherem Bildungsabschluss ist das Interesse am größten, aber viele haben Angst vor einem Karriereknick", erklärt Dirk Helmold vom SOKO-Institut.

Zaghaft haben die Unternehmen begonnen, mit Teilzeit auch für hoch qualifizierte Angestellte zu experimentieren. Bei der Fraport AG am Frankfurter Flughafen, wo 14 Prozent der Mitarbeiter die Stundenzahl reduziert haben, läuft seit drei Jahren ein Pilotversuch, bei dem Mitarbeiter aus Controlling, Informatik, Personal und Presse Teilzeit und Telearbeit verbinden. Bisher sind die Erfahrungen ermutigend.

Bei der Commerzbank hat sich die Teilzeitarbeit in der Zentrale und den Filialen gleichermaßen ausgebreitet. "Inzwischen haben wir Teilzeit sogar in der Kundenberatung", berichtet Bianca Reuter, Teilzeitbeauftragte der Bank. Sogar eine Filialleiterin mit halber Stelle hat die Bank vorzuweisen.

Doch während für die großen Firmen der Umgang mit Teilzeitwünschen schon zur Routine geworden ist, haben viele Unternehmen - und da besonders die der New-Economy-Branche mit ihren hoch motivierten Angestellten - damit wenig am Hut. "Teilzeit ist für uns kein Thema", meint Martin Kurz, Pressesprecher von Abaxx, stellvertretend für viele andere. Die Mitarbeiter des Stuttgarter Software-Unternehmens arbeiten entweder Vollzeit oder sind Freiberufler - dazwischen gibt es nichts. Begründung: Man habe ja ohnehin flexible Arbeitszeiten und könne sich den Tag frei einteilen.

Kampf um Talente

Ausnahmen gibt es in Unternehmen, die der Start-up-Phase schon etwas länger entwachsen sind und bei denen es ohnehin nicht zur Unternehmenskultur gehört, bis spät in der Nacht vor dem Monitor zu kauern. Die vor fünf Jahren gegründete syzygy AG, eine E-Business-Beratungsfirma, hat neben Teilzeitkräften in der Verwaltung sogar eine Mitarbeiterin im Consulting, die nur vormittags da ist, um sich den Rest des Tages um ihren kleinen Sohn kümmern zu können. "Wir haben lange gezögert und uns gefragt, ob das funktionieren würde", gesteht Geschäftsführerin Susanne Busshart. "Aber es klappt wirklich wunderbar. Der Kunde hat sich schnell darauf eingestellt, und die Mitarbeiterin ist so flexibel, dass sie bei wichtigen Terminen nachmittags da ist." Hintergrund des Experiments: "Der Kampf um Talente nimmt zu, und es kommt ein erheblicher Druck auf die Firmen zu, differenzierte Arbeitszeitformen anzubieten", meint Andreas Hoff von der Arbeitszeitberatung Dr. Hoff Weidinger Herrmann.

Doch die Realität sieht oftmals anders aus. Susanne Riegers (Name von der Red. geändert), Informatikerin mit zwei Kindern, suchte eine 25-Stunden- Stelle und dachte angesichts der Klagen über fehlendes Fachpersonal, sie werde mit ihrer Bewerbung offene Türen einrennen. Weit gefehlt. "Nach einem Jahr Suche war ich ganz schön frustriert und genervt", meint sie. "Ich wurde im Vorstellungsgespräch häufig gefragt, ob ich nicht doch bereit wäre, etwas länger zu arbeiten. Ich habe von einer Firma sogar schriftlich, dass sie mich wegen der Teilzeit nicht haben wollten." Inzwischen hat sie eine Stelle im öffentlichen Dienst gefunden.

Wird in Zukunft jeder, der es möchte, weniger arbeiten können? Durch das neue Teilzeitgesetz wird es für die Arbeitgeber zumindest schwieriger, diesen Wunsch abzulehnen. Andreas Hoff schätzt, dass die Quote der Teilzeitarbeiter in der Wirtschaft in den nächsten fünf bis zehn Jahren von derzeit zwanzig auf dreißig Prozent steigen wird.

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