Zielvereinbarungen:Die guten Vorsätze

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Zielvereinbarungen kommen immer mehr in Mode: Worauf Mitarbeiter achten müssen.

Rolf Winkel

In so genannten Zielvereinbarungsgesprächen treffen Vorgesetzte mit Mitarbeitern Vereinbarungen über Ziele. Dabei kann es darum gehen, Arbeitsprozesse qualitativ zu verbessern. Vielfach handelt es sich aber - vor allem im Verkauf und Vertrieb - um reine Mengenziele.

Da wird dann beispielsweise vereinbart, dass ein Pharma-Referent einen Jahresumsatz von einer Million Euro machen oder dass die Zahl der Kundenbeschwerden um 25 Prozent reduziert werden soll. Bei dem Erreichen des Ziels wird oft die volle Zahlung einer Prämie zugesichert.

Hat der Betriebsrat bei Zielvereinbarungen ein Mitbestimmungsrecht?

Beim konkreten einzelnen Gespräch nicht; die generelle Einführung und grundsätzliche Ausgestaltung von Zielvereinbarungsgesprächen ist aber nach Paragraf 87 Absatz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes mitbestimmungspflichtig. Danach hat die betriebliche Interessenvertretung unter anderem über "Fragen der betrieblichen Lohngestaltung, insbesondere die Aufstellung von Entlohnungsgrundsätzen und die Einführung und Anwendung von neuen Entlohnungsmethoden" mitzubestimmen. Der Betriebsrat kann über die Einführung von Zielvereinbarungen mit der Unternehmensleitung eine Betriebsvereinbarung abschließen.

Muss ein Arbeitnehmer das Zielvereinbarungsgespräch allein mit seinem Vorgesetzten führen?

In manchen Betrieben ist es üblich, dass Arbeitnehmer einen Vertrauten oder den Betriebsrat zum Zielvereinbarungsgespräch mitnehmen können. Mitunter werden die Gespräche auch mit ganzen Arbeitsgruppen durchgeführt. Einen Rechtsanspruch, das Gespräch nicht nur unter vier Augen zu führen, gibt es aber nicht. Das kann allerdings per Betriebsvereinbarung oder auch per Tarifvertrag geregelt werden. Falls eine solche Regelung fehlt, kann sich der Anspruch aus "betrieblicher Übung" ergeben. Das ist nach der Rechtsprechung, die das Bundesarbeitsgericht zu freiwilligen Arbeitgeberleistungen getroffen hat, dann der Fall, wenn eine Firma drei Jahre in Folge ein bestimmtes Verfahren angewendet und nicht klargestellt hat, dass es sich dabei immer nur um ein freiwilliges Zugeständnis für jeweils ein einzelnes Jahr handelt.

Kann auch die Teilnahme an einer Weiterbildung in die Vereinbarung aufgenommen werden?

Auch das ist möglich. Arbeitnehmer können im Gespräch zum Beispiel darauf hinweisen, dass sie bestimmte Umsatzziele ohne eine Zusatzqualifikation kaum erreichen können. Natürlich haben die Betroffenen bessere Karten, wenn in Betriebsvereinbarungen explizit geregelt ist, dass auch Arbeitsbedingungen und Weiterbildung Themen von Zielvereinbarungen sind.

Können Tarifverträge durch Zielvereinbarungen ausgehebelt werden?

Nein. Wenn der für ein Unternehmen geltende Tarifvertrag beispielsweise einen Stundenlohn von 12,50 Euro vorsieht, dann kann daraus nicht - per Vereinbarung - ein fester Lohn von lediglich elf Euro und eine leistungsbezogene Prämie von 1,50 Euro gemacht werden. Auch ein vorher arbeitsvertraglich vereinbartes übertarifliches Fixgehalt kann nicht ohne Zustimmung des Arbeitnehmers in einen festen und einen variablen Teil gesplittet werden. Soweit der Betroffene damit nicht einverstanden ist, bleibt dem Arbeitgeber im Prinzip nur die Möglichkeit, eine Änderungskündigung auszusprechen. Zielvereinbarungen betreffen daher in aller Regel nur übertarifliche Leistungen. Manche Tarifverträge sehen allerdings Zulagen beim Erreichen bestimmter Leistungen vor. Dann kann die Prämienzahlung an den Grad der Zielerreichung gekoppelt werden.

Was geschieht bei Zielerreichung?

Dann fließt der vereinbarte Bonus an den Arbeitnehmer. In der Regel ist das eine Einmalzahlung. Es kann aber auch eine monatliche Zusatz-Zahlung zum Lohn vereinbart werden - etwa für das Folgejahr. Bei teilweiser Zielerreichung wird meist nur ein Teil des Bonus gezahlt. Das hängt von der Art der Vereinbarung ab.

Und wenn das Ziel nicht erreicht wird?

Dann gibt es nur eine geringere Prämie, oder der Arbeitnehmer geht ganz leer aus. Weitere Konsequenzen darf dies in aller Regel nicht haben. Der Arbeitnehmer haftet dem Arbeitgeber nicht für die Zielerfüllung und er darf deswegen auch nicht abgemahnt oder gekündigt werden. Anders lautende Regelungen in Zielvereinbarungen haben arbeitsrechtlich keine Bedeutung. Generell gilt: Arbeitnehmer schulden dem Betrieb keine Spitzenleistung, sondern eine Leistung "mittlerer Güte".

Grundsätzlich ist allerdings - völlig unabhängig von Zielvereinbarungen - eine Kündigung bei extremen Minderleistungen möglich. Dabei muss der Arbeitgeber aber ein "konkretes und vorwerfbares Leistungsfehlverhalten" ausführlich begründen, heißt es in einem Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln (Az.: 7 Sa 22/04).

In dem zu entscheidenden Fall war einem Arbeitnehmer, der als Niederlassungsleiter beschäftigt war, mit dem Hinweis gekündigt worden, dass er in allen bundesweit tätigen Niederlassungen das schlechteste Ergebnis erzielt habe. Dies reichte aber nach Auffassung des Gerichts nicht zur sozialen Rechtfertigung einer auf Leistungsmängel gestützten, verhaltensbedingten Kündigung aus. Das Gericht sah auch eine vorherige Abmahnung als erforderlich an. Schon weil diese fehlte, galt die Kündigung als unwirksam.

Was passiert, wenn unklar ist, ob das Ziel erreicht ist?

Gar nicht so selten kommt es vor, dass die Zielvorgaben beziehungsweise die vereinbarten Ziele unklar sind - dann fällt es naturgemäß schwer zu bestimmen, ob die Ziele erreicht sind.

In diesem Fall hat der Arbeitgeber den Schwarzen Peter, entschied das Landesarbeitsgericht Frankfurt am 29. Januar 2002 (Az.: 7 Sa 836/01): "Ist der Inhalt des vorgegebenen Zieles wegen unklarer Formulierung ungewiss, kommen dem Arbeitnehmer Erleichterungen der Darlegungslast zu Gute nach dem Rechtsgedanken des § 2 Abs. 1 Nachweisgesetz. Den Arbeitnehmer trifft keine Pflicht, den Arbeitgeber zur Klarstellung des unklar formulierten Zieles zu veranlassen."

Die Folge: Das Gericht sprach dem klagenden Arbeitnehmer - einem Account Manager - die vereinbarte Prämie in Höhe von 7000 DM zu.

© SZ vom 4.1.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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