Zeitarbeit:Den Klebe-Effekt ausnutzen

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Der Tarifvertrag für Zeitarbeit verringert die Chancen von Arbeitslosen auf eine Rückkehr in den Arbeitsmarkt.

Hans-Herbert Holzamer

(SZ vom 26.4.2003) Unternehmerische Kreativität ist nicht tot hierzulande. Sie ist nur in Nischen gedrückt worden. In die Freizeit etwa, in die Schwarzarbeit und auch in die Zeitarbeit. Oft als Sklaventreiberei angefeindet, kann das auf 24 Monate begrenzte "Personalleasing" Erfolge vorweisen. 444.000 Mitarbeiter wurden 2001 von Zeitarbeitunternehmen neu eingestellt. Etwa 30 Prozent preiswerter als üblich, beschäftigt die Branche monatlich im Schnitt 350.000 Frauen und Männer in etwa 6500 Niederlassungen professioneller Personal-Dienstleister.

Die Zeitarbeit ist einer der wichtigsten Mittler von der Arbeitslosigkeit zurück in die Beschäftigung. Denn über 60 Prozent aller Zeitarbeitnehmer waren vorher ohne Beschäftigung, davon mehr als 40 Prozent bis zu einem Jahr, zehn Prozent waren gar langzeitarbeitslos.

Eine Übernahmequote von etwa 50 Prozent durch die Kundenfirmen infolge des so genannten Klebeeffektes belegt "die hohe Integrationsfunktion der Zeitarbeit im Arbeitsmarkt", meint der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Zeitarbeit (BZA) Gert Denkhaus.

Und nicht nur Arbeitslose finden hier ihre Chance. Etwa ein Drittel der Zeitarbeitnehmer, so Tanja Siegmund von Adecco, "wählen die Zeitarbeit zum Austesten unterschiedlicher Arbeitgeber und Aufgabengebiete" oder um das eigene Profil zu schärfen. "Wir nennen dies Steigerung der Employability", sagt Heide Franken, Geschäftsführerin von Randstad Deutschland. Dies zeige einem Personalverantwortlichen, dass sich ein Bewerber "mit verschiedenen betrieblichen Situationen vertraut gemacht habe". Und das, betont Georg Sailer, Geschäftsführer der PPE Dienstleistungen, "grundsätzlich nur in gesetzlich reglementierten Arbeitsverhältnissen."

Und so hat auch die Politik entdeckt, dass man die Zeitarbeitsbranche als einen "zentralen Teil der Reform des Arbeitsmarkts", so Wirtschaftsminister Wolfgang Clement, in Anspruch nehmen könnte. Mit den Gewerkschaften, denen die Zeitarbeit ein Dorn im Auge ist, hatte sich der Minister verständigt, nach einer Übergangsfrist bis Januar 2004 das Prinzip des gleichen Lohns für gleiche Arbeit in der Zeitarbeit einzuführen.

Doch damit wäre der Wettbewerbsvorteil für die Zeitarbeit dahin, befürchten viele. Und deshalb gibt es Streit unter den Zeitarbeitsunternehmen, nachdem sich die erste Freude darüber gelegt hat, als tariffähig anerkannt und aus der Schmuddelecke heraus zu sein.

Praxisgerecht reformieren

Der Bundesverband Zeitarbeit (BZA) und die Interessengemeinschaft Deutscher Zeitarbeitsunternehmen (iGZ) können sich nicht auf eine gemeinsame Linie einigen. Zwar hatten sich die Gewerkschaften verpflichtet, in Tarifverträgen befristete Lohnabschläge für Langzeitarbeitslose oder Geringqualifizierte zuzulassen. Aber das vorgeschlagene Regelwerk, dem sich der BZA angeschlossen hatte, ist nach Auffassung des iGZ zu kompliziert. "Nicht marktgerecht, zu kompliziert und praxisuntauglich für die Branche", nennt es iGZ-Verhandlungsführer Holger Piening. Sein Verband fordert eine "eigene Entgelttabelle" für die Zeitarbeitsbranche.

Aus Clements Verkündigung, Zeitarbeitsfirmen würden Arbeitsplätze schaffen, wird wohl nichts werden. Denn wenn die Tarifparteien sich nicht einigen können, tritt das Prinzip des gleichen Lohns automatisch in Kraft. Schlagartig würde die Leiharbeit teurer. Katja Hartmann von Manpower befürchtet, dass dann "die Vorteile zerstört und jegliche positive Impulse zunichte gemacht würden." - Eine Umfrage der IHK habe ergeben, dass Arbeitgeber bereit sind, maximal zehn Prozent mehr zu zahlen.

Dabei ist die Zeitarbeit, anders als bei den Gewerkschaften, bei der Bundesanstalt für Arbeit durchaus angesehen. Das Arbeitsamt München etwa arbeitet seit vielen Jahren mit Zeitarbeitsfirmen zusammen. So führt es am kommenden Dienstag und Mittwoch mit 40 Firmen die Info-Messe "Zeitarbeit" durch.

Bei der Flexibilisierung des Arbeitsmarktes spielt die Zeitarbeit nicht nur in München eine wichtige Rolle. Nach einer Studie von McKinsey & Comp. Analysis könnten mit ihrer Hilfe in Deutschland bis zu einer Million neue Arbeitsplätze geschaffen werden. "Zeitarbeit", konstatiert Tanja Siegmund, "ist ein sehr flexibles Arbeitsmodell und bietet Firmen die Möglichkeit, Mitarbeiter mit den notwendigen Fähigkeiten zum richtigen Zeitpunkt einstellen zu können."

Aber das Wissen über Zeitarbeit ist noch lückenhaft. In einer neuen Studie soll daher ermittelt werden, wie viele Arbeitskräfte und welche Art von Arbeitskräften die Unternehmen entleihen, welche Verrechnungssätze verlangt werden und wie die durchschnittliche Dauer der Entleih- und Beschäftigungsverhältnisse ist. Die so gewonnenen Daten sollen eine Darstellung der Struktur der Zeitarbeitsbranche ergeben. In weiteren Arbeitsschritten ist geplant, diese Daten mit Angaben zu den Nutzerunternehmen zu kombinieren, um so die Nachfrage nach Zeitarbeitnehmern schätzen zu können. Die Laufzeit ist bis zum 30.Juni festgesetzt.Doch bereits einen Monat eher, bis zum 31.Mai, soll die Ausarbeitung des Tarifvertrages erfolgt sein. So wollen es BZA, DGB und Wolfgang Clement.

Eine "anpassungsfähige Entgeltsystematik mit Branchenorientierung" soll zusammen mit einer flexiblen Jahresarbeitszeitregelung und Arbeitszeitkonten den "unterschiedlichen Anforderungen der Zeitarbeit" Rechnung tragen. Das Entgeltsystem wird ausgehend von fünf Entgeltgruppen mit einem eigenständigen Regelstundensatz festgelegt. Grundlage ist die durchschnittliche 35-Stunden-Woche für Vollbeschäftigte.

Nur Wirtschaftlichkeit zählt

"Mit diesem Tarifergebnis sind die Voraussetzungen geschaffen worden, stabile Einkommen zu sichern und erstmals einen Flächentarifvertrag für die Zeitarbeitsbranche zu entwickeln. Damit wird aus unserer Sicht die Zeitarbeit endlich zu einem ganz normalen Wirtschaftszweig", sagt Reinhard Dombre, Koordinator der DGB-Tarifgemeinschaft. Und "ganz normal" wäre vermutlich die Chance für eine Rückkehr von Arbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt verspielt.

Denn Ziel müsse es sein, so der Verhandlungsführer des BZA, Jürgen Uhlemann, dass Zeitarbeit als Flexibilitätsfaktor für die deutsche Wirtschaft bezahlbar bleibe. "Für uns und unsere Kunden zählt keine Ideologie, sondern die Wirtschaftlichkeit dieser Dienstleistung." Dann sollte man auch danach handeln.

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