Weiterbildung:"Wir kochen die Technik klein"

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Anderer Ansatz, andere Atmosphäre: Warum manche Computerschulen nur Frauen unterrichten.

Von Fabienne Melzer

Ausgerechnet eine Lila-Latzhosen-Schule musste sich Anne-Dore Kierberg-Köster für ihre Weiterbildung aussuchen. So sah es zumindest ihr Arbeitgeber und genehmigte der 54-jährigen Erzieherin erst nach einigem Zögern den Intensivkurs EDV-Grundlagen an der Frauen-Computerschule in Köln. Das Wort "Frau" reicht aus, und aus einem Computerkurs wird ein Kaffeekränzchen - nicht nur in den Augen mancher Männer. Als sich die Krankenschwester Constanze Schier für den Frauen-Computerkurs anmeldete, schauten auch Kolleginnen skeptisch. "Viele meinten, da wird doch nur getratscht", sagt Schier.

Surfen und chatten - für Mädchen heute kein Problem. Eine eigene Internetseite bauen aber eher die Jungs. (Foto: Foto: AP)

Seit zehn Jahren leitet Ingrid Victor die Frauen-Computerschule in Köln und kennt solche Vorurteile. Sie nimmt es gelassen, und ihre Ruhe vermittelt den Eindruck: Die Mathematikerin muss niemandem etwas beweisen. Schließlich gründete sie ihre Schule, weil sie das Niveau anderer Kurse enttäuscht hatte. "Im ersten Frauen-Computerkurs, den ich für einen anderen Träger gegeben habe, waren 20 Frauen, zehn Computer und eine völlig veraltete Software. So etwas hätten sich Männer niemals bieten lassen."

Fragen nach dem Nutzen

In dem Kursraum sitzen sechs Frauen. Alle Plätze sind mit modernen Geräten ausgestattet, die Fenster verdunkelt. Mit Hilfe eines Projektors erklärt Ingrid Victor den Teilnehmerinnen, wie sie eine Dokumentvorlage erstellen. Die Frauen vollziehen jeden Schritt am eigenen Rechner nach und kurz darauf hat jede ein perfektes Formblatt auf dem eigenen Bildschirm. Für einen Frauenkurs entschieden sich alle, weil sie nicht in Konkurrenz mit Männern lernen wollten. Constanze Schier hat bereits einen gemischten Kurs hinter sich: "Da saßen rechts und links von mir Männer, die mir immer sagten, was ich machen soll."

Die Gleichung "Computer = Technik = männlich" steckt noch immer tief in den Köpfen und setzt beide Geschlechter unter Druck. Männer müssen grundsätzlich mit Computern umgehen können, Frauen zweifeln eher an ihren eigenen Fähigkeiten. "Sobald in einem Computerkurs ein Mann sitzt, trauen sich viele Frauen nicht mehr, ihre Fragen zu stellen", meint Victor. "Sie gehen einfach davon aus, dass der Mann mehr weiß."

Für ein spezielles Frauenangebot gibt es noch andere Gründe. Birgit Kampmanns ist der Ansicht, dass Frauen meist andere Interessen haben, was den Umgang mit Computern angeht. Kampmann arbeitet als Projektleiterin bei "Frauen ans Netz", eine Initiative, die vom Bundesbildungsministerium gefördert wird und seit 1998 für Frauen bundesweit kostenlose Einsteigerkurse ins Internet anbietet.

"Männern reicht es meist schon, wenn sie die Technik besiegt haben, Frauen fragen immer nach dem Nutzen", sagt Kampmann. Deshalb baut sie ihre Kurse etwas anders auf. "Wir kochen die Technik ganz klein und zeigen den Frauen erst mal, was sie mit dem Internet machen können. Dann wollen sie auch wissen, wie es funktioniert."

In diesem Jahr besuchten rund 30.000 Frauen die Einsteigerinnen-Kurse, die meisten sind zwischen 40 und 49 Jahre alt. Sie sind nicht mit dem Computer groß geworden, stehen aber in Berufs- und Privatleben zunehmend vor der Aufgabe, mit dem Gerät umgehen zu müssen. Wie Stefanie Honsberg, die den Kurs an der Kölner Frauen-Computerschule besucht. "Bisher habe ich mich nur von einem Problem zum nächsten gehangelt und war immer auf meinen Mann oder meine Söhne angewiesen", sagt die 37- Jährige. "Ich möchte aber auch am Computer selbstständig sein."

Eine Homepage für sich allein

Solche Probleme kennen Lena, Laura und Corinna nicht. Die 15-jährigen Schülerinnen der Kölner Otto-Lilienthal-Realschule bedienen ihren Computer beinahe so selbstverständlich wie einen Fernseher. Auch von männlichen Altersgenossen lassen sich die drei Mädchen nicht einschüchtern. "Klar, manche Jungs meinen, sie müssten mir am Computer helfen", sagt Lena. "Aber denen sage ich einfach, dass ich das selber kann."

Beim Nachwuchs also alles paletti? Nicht ganz, meint Ulrike Schmidt vom Verein "Schulen ans Netz" in Bonn. In der Nutzung, so neueste Studien, haben sich Mädchen und Jungens zwar angeglichen, aber es gibt noch immer Unterschiede. "Im Internet surfen und chatten ist für Mädchen heute kein Problem mehr, aber eine eigene Internetseite bauen Mädchen wesentlich seltener." Schmidt betreut bei Schulen ans Netz das Projekt Lizzynet, ein Internetforum für Mädchen zwischen zwölf und 20. Hier können sie in virtuellen Kursen beispielsweise HTML lernen oder den Hompage-Baukasten-Kurs absolvieren.

Vorausgesetzt, sie verfügen über die Technik. Denn bei der heimischen Computerausstattung gibt es ebenfalls Unterschiede zwischen den Geschlechtern. In der Altersgruppe der 12- bis 19-Jährigen besitzen 54 Prozent der Jungen, aber nur 39 Prozent der Mädchen einen eigenen Computer. Während mehr als ein Drittel der Jungen über einen eigenen Internetzugang verfügt, sind es bei den Mädchen nur ein Fünftel. Da verwundert es nicht, dass in den neuen IT-Berufen Frauen mit einem Anteil von etwa 14 Prozent noch immer recht spärlich vertreten sind. Und auch im Studiengang Informatik sitzt noch nicht einmal auf jedem sechsten Platz eine Frau.

© SZ vom 17.1.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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