Was arbeiten Sie denn so?:"Ich bin ständig gut drauf"

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Wie bringt man die reifere Jugend zum Tanzen? Und was macht man, wenn sie sitzen bleibt? Ein Alleinunterhalter erzählt.

Sarina Märschel. Mit Video von Marcel Kammermayer

"Ganz am Anfang, als ich mit dieser One-Man-Geschichte anfing, wusste ich nicht mal richtig, wie man einen Mini-Disc-Player bedient. Bei meinem ersten Auftritt ist mitten während des Auftritts der Ton ausgefallen.

Mir stand eh schon der Schweiß unter meinem Pony - und dann musste ich versuchen, die Geschichte zu überspielen und während ich redete, musste ich nachdenken, wo das Problem liegt. Aber das gehört wohl dazu, dass man so was erlebt, damit man eine gewisse Reife erhält.

Ich habe vorher 20 Jahre lang eine Sieben-Mann-Band gehabt und habe mit ihr in einem der besten und angesagtesten Jazz-Clubs von München gespielt, obwohl wir gar keinen Jazz gespielt haben. Aber dann hat sich das totgelaufen, es kamen jüngere Kollegen nach.

"Muss ich mir den Mist anhören?"

Ich musste mir überlegen, wie es weitergeht - und dann hat mir ein Gitarrist gesagt, ich soll das machen, was ich immer verabscheut habe: Ich bin Berufsmusiker seit 1967, und ich habe früher immer gesagt: Jeden Ton, den man hört, muss man auch sehen. Als die Synthesizer aufkamen, und ich habe vier Mann gesehen, aber fünf gehört, da bin ich aus Protest aufgestanden und habe gesagt: Muss ich mir den Mist anhören? Weil ich bin einer, der sagt: Alles live, echt und unverfälscht.

Aber ich habe mir mit dieser One-Man-Band-Geschichte keine musikalischen Wunschträume erfüllt. Sondern ich bin nur nach den Möglichkeiten gegangen, die sich mir bieten - was kann ich tun, wovon ich leben kann? Ich muss dazu sagen, ich habe viele meiner Fans verloren, weil die eben auf die Sieben-Mann-Band standen.

Die ersten zwei Jahre waren hart. Ich habe mir ganz neue Fans erspielen müssen, und am Anfang habe ich sehr wenig Auftritte gehabt. Ich bin ins kalte Wasser gesprungen - aber daraus ist mittlerweile eine angenehme Temperatur geworden.

"Und dann kannst du Gas geben"

Also eigentlich macht mir mein Job Spaß, weil die Leute immer wieder ihre Zufriedenheit ausdrücken, und wenn man diese Bestätigung kriegt, dann hat man keinen Grund, an sich zu zweifeln. Und ich mache es auch schon lange genug, so dass ich mir die Leute anschaue und dann ziemlich treffsicher weiß: Jetzt fängst du mal mit dem Song an, und dann kannst du ein bisschen Gas geben.

Ich spiele, weil ich auch nicht jünger geworden bin, Musik für die reifere Jugend. Also ist mein Publikum in dem Alter ab 50 aufwärts. Die erkennen dann die Melodien von früher wieder und wenn man das in angenehmer Lautstärke und gut tanzbar spielt, dann hat man gute Voraussetzungen dafür, dass die Leute nicht aufstehen, sondern dableiben. Während ich spiele, können sie essen und sich unterhalten. Am Anfang nehmen die das gar nicht so wahr, aber während sie essen, bekommen sie plötzlich ein Ohr für meine Musik. Ich erringe immer ein bisschen mehr Aufmerksamkeit und dann denken die Leute: Oh, wir könnten ja tanzen!

Ich habe aber auch kein Problem damit, wenn die Leute sitzen bleiben und ich nur im Hintergrund spiele. Ich kann sehr leise spielen.

Kein Hit, aber Lokalmatador

1982 ist die Plattenfirma Ariola auf mich aufmerksam geworden, aber dann hatte ich das Pech, dass die Deutsche Welle kam - das wurde dann gefördert, und ich war nicht mehr interessant. Ich hatte zwar einige Achtungserfolge, aber keinen Hit. Deshalb bin ich nie überregional bekannt geworden. Aber in München bin ich so eine Art Lokalmatador.

Auf der nächsten Seite: Was das Alleinunterhalter-Sein schwierig macht und warum Fats Hagen nicht im Bowling-Center geblieben ist.

Ich spiele bei Geburtstagen, Straßenfesten, in Nightclubs, auf Kreuzfahrten, Präsentationen, in Biergärten und so weiter. Normalerweise beginnt ein Abend um 20 Uhr und hört um ein Uhr auf, Geburtstage können aber auch mal ein bisschen länger gehen.

Fats Hagen in Action: "Jetzt fängst du mal mit dem Song an, und dann kannst du ein bisschen Gas geben." (Foto: Foto: sueddeutsche.de)

Was das Schwierige an meinem Beruf ist? Man wird nicht jünger. Am Anfang, wenn man das macht, ist es ja schon aufregend, wenn man überhaupt ein Instrument hat. Und wenn man dann zum ersten Mal auf der Bühne steht, vor Publikum spielen kann, hat man Lampenfieber. Wenn man das aber so lange macht wie ich, dann wird das ursprünglich schöne Gefühl, nervös zu sein, weniger. Es wird Routine.

"Ich kenne keine Launen"

Was schwerer fällt als früher, ist jetzt in meinem Alter, sich auf den Weg zu machen. Ich bin gut ausgebucht, weil es wird so wenig angeboten für ältere Leute, und ich bin da der richtige Ansprechpartner. Aber es ist natürlich auch so, dass ich mich jetzt erstmal in Schwung bringen muss. Wenn ich dann die Treppen runtergehe bei mir zu Hause Richtung Garage, dann ist das überwundern.

Ich bin immer gut drauf. Immer. Ich kenne keine Launen und ich versuche immer, vom Herzen her ein bisschen zu strahlen. Das merken die Leute auch. Die sagen immer: Fats, wenn du kommst, verbreitest du immer gute Laune. Das macht mir Spaß.

Bevor ich Berufsmusiker wurde, habe ich eine Lehre zum Kfz-Mechaniker gemacht. 1962 bin ich von Frankfurt nach München gezogen. Dann habe ich mich zum Center-Manager hochgearbeitet in einem Bowling-Center in Fürstenried. Musik hab ich immer nebenher gemacht, seit ich als Kind nachgespielt habe, was meine Tante im Klavierunterricht gelernt hat. Ich habe es nur gehört und dann nachgespielt, da haben sich die Leute gewundert.

"Meine Freunde sagen Fats zu mir"

Irgendwann musste ich mich entscheiden zwischen dem, ich sage mal, seriösen Beruf und der Musik. Für die Musik habe ich mich entschieden wegen der Erfolge - weil ich gemerkt habe, dass die Leute mich gerne hören.

Meine Freunde sagen übrigens Fats zum mir. Mein Vorname ist eigentlich Hagen, aber ich bin der deutsche Fats Domino, und seit 1975 nennen mich alle Fats. Fats Domino habe ich persönlich kennengelernt, als ich in den siebziger Jahren einen Auftritt in Düsseldorf hatte.

Da war er unter den Gästen und hat spontan bei mir in der Band mitgespielt. Das war natürlich toll, mit dem Meister persönlich zusammen zu spielen. Erst war ich ein Fan von Elvis Presley, aber da gab es nicht so was Verbindendes wie später bei Fats Domino. Als das Lied "Blueberry Hill" rauskam, hat mich das so fasziniert, dass ich von da an sehr versucht habe, seine Musik nachzuspielen.

Bar-Zahler bei MacDonald's

Eigentlich war der Abend dann für mich gut, wenn ich merke, dass die Musik, die ich spiele, den Leuten gefällt. Das merke ich daran, dass sie danach zu mir kommen, und manche mir Geldscheine geben oder die Wirte mir mehr Gage zahlen als ich verlange.

Ich sitze dann nach einem Auftritt mit einem schönen Gefühl in meinem Auto. Erstens habe ich wieder ein paar Euro in der Tasche, bin schlagartig wieder Bar-Zahler bei MacDonald's. Das macht mich zufrieden. Und dann das Gefühl: Es war wieder ein harmonischer Abend, die Leute waren happy, alles wunderbar. Ich fühl mich wohler wie viele andere, die in der Rushhour im Stau stehen. Ich bin ein happy man!"

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