Von schlanken und dicken Lehrern:Erst die Diät, dann der Job

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Lehrer auf die Waage: Wenn ihr Body-Mass-Index zu hoch ist, werden sie nicht verbeamtet.

110 Kilogramm bei einer Körpergröße von 1,83 Metern: eindeutig zu viel - zumindest wenn man als Lehrer verbeamtet werden möchte. Stefan Bauer hat das am eigenen Leib erfahren. Beim Gesundheitscheck vor der Verbeamtung wurde bei dem Karlsruher Hauptschullehrer Bluthochdruck wegen Übergewichts diagnostiziert - ein Ausschlusskriterium. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Baden-Württemberg beklagt, dass Beamtenanwärter immer häufiger wegen eines zu hohen Body-Mass-Index (BMI) abgelehnt würden.

Wie viele Kilo sind "zu viel"? Auch Sportlehrer wurden schon abgelehnt - ihre Muskeln wogen zu viel. (Foto: Foto: ddp)

Die GEW kritisiert, dass an der Hürde eines zu hohen BMI auch Lehrer mit hervorragenden fachlichen Beurteilungen scheiterten. Seit etwa zwei Jahren trete das Problem verstärkt auf. Zahlen, wie viele Beamtenanwärter davon insgesamt betroffen sind, gibt es nicht, momentan kümmert sich die GEW Baden-Württemberg um 10 bis 20 solcher Fälle. Sie hat sogar ein Infoblatt herausgegeben mit dem Titel: "Der schlanke Staat will schlanke Beamt/innen!" Da das Beamtenrecht bundesweit einheitlich ist, ist das Thema potenziell in ganz Deutschland relevant. Beim Hauptvorstand der GEW hat man von dem Problem allerdings noch nichts gehört.

Der BMI errechnet sich aus Körpergröße und Gewicht. "Bei einem BMI über 30 steigt das Risiko für Herzinfarkt und Arteriosklerose stark an", erklärt Herbert Lochs, Professor für Ernährungsmedizin an der Berliner Charité. Allerdings sei dafür auch der Umfang von Hüfte und Taille ausschlaggebend. "Rauchen ist aber wesentlich schlimmer als Übergewicht." Dem Nichtraucher und Wenigtrinker Stefan Bauer riet der Amtsarzt, eine Diät zu machen und sich in einem Jahr wieder vorzustellen.

Solange könne er seinen Beruf als Angestellter ausüben. Alfred König, Leiter der Rechtsabteilung der GEW Baden-Württemberg, bemängelt: "Wer raucht und trinkt, kann das bei der Untersuchung hervorragend kaschieren." Renate Renner vom Philologenverband Baden-Württemberg kritisiert den BMI als zufälliges, nicht aussagekräftiges Kriterium für eine Prognose des Risikos einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit.

"Die Ursachen dafür sind in den allermeisten Fällen psychischer Natur und nur ganz selten Herz-Kreislauf-Erkrankungen." Das Stuttgarter Kultusministerium beruft sich darauf, dass laut Gesetz für die Verbeamtung neben der persönlichen und sachlichen Befähigung auch die gesundheitliche Eignung gegeben sein müsse. "Ab einem BMI über 30 werden Bluthochdruck, Blutzucker und Cholesterin getestet", sagt Ministeriumssprecherin Susanne Neib. Die Amtsärzte gäben dann eine individuelle Einschätzung des Risikos, vorzeitig dienstunfähig zu werden, an die einstellenden Regierungspräsidien.

"Wenn jemand nicht verbeamtet wird, heißt das ja nicht, dass er nicht arbeiten kann, es gibt ja auch die Möglichkeit des Angestellten." Britta Müller vom Deutschen Beamtenbund erklärt, dass es im Gesetz keine ausdrückliche Regelung darüber gebe, was unter gesundheitlicher Eignung zu verstehen sei. "Über die Maßstäbe, die da angewandt werden, lässt sich trefflich streiten", sagt Müller. Auch Lehramtsanwärter mit Stoffwechselkrankheiten würden wegen eines zu hohen BMI abgelehnt. "Sie können nicht für ihr Übergewicht verantwortlich gemacht werden."

Die GEW Baden-Württemberg weiß auch von Sportlehrern, die an einem zu hohen BMI gescheitert seien - ihre Muskeln wogen zu schwer. Einsprüche hätten hier aber zur Verbeamtung geführt, sagt König.

© dpa, Von Annette Bräunlein - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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