Veruntreute Forschungsgelder:Teurer Familientrip

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Amerika, Australien, Hongkong, Bangkok, Italien: Ein Dortmunder Professor bezahlte seine Weltreise für Frau und Kinder mit Forschungsgeldern. Wie eine Universität die Kontrolle über ihren Professor verlor.

Hermann Horstkotte

Im vergangenen Sommer machte ein Informatikprofessor der Technischen Universität (TU) Dortmund mit Frau und Kindern eine Weltreise. Sie führte ihn nach Amerika, Australien, Hongkong, Bangkok und über Italien zurück nach Hause. Die Flugtickets stammten von der Computerfirma Sun Microsystems, ihr Wert: etwa 25.000 Euro. Mit dem Unternehmen hatte die Uni einen Kooperationsvertrag über den Aufbau eines gemeinsamen "Center of Excellence". Nun ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den Hochschullehrer wegen des Verdachts einer Vorteilsannahme im Amt ohne Rechtsanspruch. Dafür droht schlimmstenfalls Haft bis zu drei Jahren.

Flugtickets: Auf kosten von Sun Microsystems flog der Professor unter anderem nach Bangkok. (Foto: Foto: dpa)

Welche Kontrollen in der Uni womöglich versagten, ist für die strafrechtliche Untersuchung eher unerheblich, nicht aber für die Qualitätssicherung im Hochschulmanagement. Geradezu prophetisch hatte der Verwaltungsleiter der TU bei seiner Amtseinführung von der Hochschule als "einem unvorhersehbaren, unplanbaren und daher auch nicht steuerbaren System" gesprochen, das dennoch funktionieren müsse. Die Zusammenarbeit mit Firmen wird dabei für Hochschulen immer wichtiger - wegen des möglichen Zugewinns an Geld und Image, wie ein Sprecher des Wissenschaftsministeriums in Düsseldorf betont.

19.000 Euro für Flugtickets

Der Informatiker war bei der Zusammenarbeit mit Sun offiziell "ausführende Stelle" der Hochschule. So stellte er beispielsweise für Vorleistungen der Universität eine Pauschalrechnung in Höhe von 232.000 Euro, aber offenbar ohne Unterschrift der Hochschulleitung. Als Sun sich darauf nicht einließ, zog der Professor die Rechnung zurück. Stattdessen hat er 19.000 Euro Beratungsgebühr, IT-Maschinen und die Flugtickets vereinbart. Diese wurden von Sun gebucht, bezahlt und ausgehändigt, an der Beschaffungsstelle der Hochschule vorbei.

Offenbar schaltete und waltete der Professor wie jemand, dem die Uni die Verwendung der Firmenmittel überlassen hat. Diese Möglichkeit sehen alle Hochschulgesetze der Bundesländer vor. Auf diese Weise soll es zum Beispiel möglich sein, Mitarbeiter flexibel - an der Personalvertretung und am öffentlichen Tarifsystem vorbei - einzustellen. Diese Freiheit darf sich allerdings kein Professor selbst nehmen, sie wird nur auf Antrag von der Hochschule gewährt. Und sie beschränkt sich, wie der Deutsche Hochschulverband als Standesvertretung der Professoren betont, auf einen sachgemäßen Mitteleinsatz nur für Forschungszwecke - was der Landesrechnungshof freilich nur stichprobenartig überprüfen kann. Um Missbrauch auszuschließen, haben Hochschulen wie die TU in Aachen und in München schon seit zehn Jahren keinem Antrag auf persönliche Selbstverwaltung eingeworbener Firmengelder mehr stattgegeben.

Vieraugen-Prinzip bei allen Buchungen

Eine entsprechende förmliche Genehmigung besaß offenbar auch der Dortmunder Professor nicht, wie sein Anwalt einräumt. In der Verwaltung der Uni verlor man aber aus den Augen, wie der Vertrag mit Sun ausgeführt wurde. Die Hochschule ließ ihrem Mitarbeiter weitgehend freie Hand. Das Rektorat ahnte nach eigenen Angaben nichts, bis es vorigen Herbst von der Firma über das Geschäftsgebaren des Professors informiert wurde. In der Firmenzentrale in Kalifornien waren die Flugtickets aufgefallen und hatten Alarm ausgelöst. Prompt kündigte das Unternehmen fünf verantwortlichen Mitarbeitern der deutschen Filiale wegen Missachtung interner Vorschriften fristlos. Auch die TU-Leitung will nun mit den Tickets für Frau und Kinder ihres Professors nicht in Verbindung gebracht werden.

An anderen Hochschulen an Rhein und Ruhr oder an der TU München könnte es zu solchen Unklarheiten nicht kommen, wie man dort versichert. Was Mitarbeiter dürfen oder nicht, würden verbindliche "Drittmittelrichtlinien" und Musterverträge vorschreiben. So kann ein Professor in Aachen selber im Jahr je Projekt höchstens über 5000 Euro disponieren. Die Kontrolle aller Transfers soll eine Zentralbuchhaltung mit spezieller Software gewährleisten. Der Münchner TU-Sprecher Ulrich Marsch verweist außerdem auf ein Vieraugen-Prinzip bei allen Buchungen. Flugtickets direkt vom Reisebüro des Firmenpartners seien nicht drin.

© SZ vom 9.6.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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