Unzufriedene Mediziner:Bayerns Ärzte verzweifeln an ihrer Arbeit

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Laut einer Studie leiden die Mediziner unter weitaus höheren Belastungen als ihre Kollegen im Ausland.

Dietrich Mittler

Unter Bayerns Ärzten machen sich zunehmend Frustration und Resignation breit. Dies geht aus einer neuen Studie des Bayerischen Staatsinstituts für Hochschulforschung und Hochschulplanung hervor. Gut ein Drittel aller Ärzte in Bayern würde den Beruf kein zweites Mal ergreifen. Jeder Zehnte schließt das sogar kategorisch aus. Als Gründe nennen die Befragten "sich ständig verschlechternde Arbeitsbedingungen". Damit bestätigt die Studie mit aktuellen repräsentativen Zahlen, was Ärzteverbände seit langem beklagen.

Deutschen Ärzten scheint es im Ausland besser zu gehen - das liegt nicht nur an der Bezahlung. (Foto: Foto: photodisc)

Zeitdruck, Arbeitsüberlastung, zu viel Verwaltungsarbeit, zu geringes Einkommen sowie die hierarchischen Strukturen in den Kliniken setzten den befragten Ärzten am meisten zu. Mit diesen Themen wird sich auch der Bayerische Ärztetag befassen, der heute in Straubing beginnt.

Bayerische Ärzte, die im Ausland arbeiten, äußern sich laut der Studie wesentlich zufriedener über ihre berufliche Situation. Als Gründe für einen Wechsel - meist ins deutschsprachige Ausland - nennen sie bessere Rahmenbedingungen, weniger Hierarchie, weniger Bürokratie, bessere Arbeitszeiten und eine größere Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Wie aus der Untersuchung hervorgeht, spielt auch die bessere Bezahlung im Ausland eine große Rolle.

Noch beeinträchtigt die Quote der ins Ausland abwandernden Ärzte aus Bayern die medizinische Versorgung im Freistaat kaum: Sie liegt seit Jahren konstant bei fünf Prozent. Die steigende Unzufriedenheit innerhalb der Ärzteschaft - nicht zuletzt aufgrund der Gesundheitsreform - dürfte nach Auffassung der Ärzteverbände aber gerade junge Mediziner mehr als bisher darin bestärken, attraktive Angebote im Ausland anzunehmen. 45,7 Prozent der im Ausland befragten Ärzte sagten, die schlechten gesundheitspolitischen Rahmenbedingungen hätten ihren Wegzug aus Bayern beeinflusst.

In den kommenden Jahren, so prognostizieren die Autorinnen der Studie, wird die Humanmedizin in Bayern ihr Gesicht wandeln: Sie wird zunehmend Frauensache. An Bayerns Universitäten stieg der Frauenanteil bei den Studienanfängern im Fach Humanmedizin vom Wintersemester 1995/96 bis zum Wintersemester 2004/05 von 50,5 auf 64,8 Prozent und von 45,1 auf 58,6 Prozent bei allen Medizinstudenten.

Trotz des steigenden Frauenanteils sind die Arbeits- und Ausbildungsbedingungen laut Studie aber noch viel zu sehr an den Bedürfnissen der Männer orientiert. Anhand der Zahlen können die Autorinnen belegen, dass Männer in Krankenhäusern häufig die besseren Arbeitsverträge bekommen. Bei Frauen verzögerten sich Weiterbildungen oft schon dadurch, dass ihre Verträge nur auf wenige Monate befristet waren. Während der Ausbildung kamen viele junge Ärztinnen zum Schluss, dass die Arbeitszeiten in den Kliniken wenig familienfreundlich sind. Der Wunsch nach besseren Arbeitszeiten ist für Frauen ein wesentlicher Grund, auf eine Krankenhaus-Karriere zu verzichten und stattdessen in einer Praxis zu arbeiten.

Die Auswertung der mehr als tausend Fragebögen ergab erhebliche Unterschiede bei der Berufs- und Lebenseinstellung von Ärztinnen und Ärzten: Männer reizt insbesondere das hohe Sozialprestige zum Medizin-Studium, während deutlich mehr Frauen als Männer den Wunsch äußerten, "Kranken zu helfen". Auch bei der Wahl der Facharztrichtung legten die befragten Ärztinnen auf "Patientennähe" ein viel größeres Gewicht (59,2 Prozent) als ihre männlichen Kollegen (45,5 Prozent).

© SZ vom 13.10.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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