Uni-Rankings:Ein Leben im Medaillen-Spiegel

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Uni-Rankings sind unsinnig: Abiturienten sollten ihre Hochschule so spontan auswählen, wie sie sich im Kaufhaus für eine Küchenmaschine entscheiden.

Juan Moreno

Ich habe Volkswirtschaftslehre studiert, erst in Konstanz, später in Köln. Volkswirtschaft in Konstanz hatte damals einen mittelmäßigen Ruf, Köln einen sehr guten. Ich glaube, das ist heute so ähnlich, stand jedenfalls vor einiger Zeit im Focus. Zu meiner Zeit gab es diese Uni-Rankings noch nicht, es gab nicht mal den Focus, was vielleicht erklärt, warum Leute in meinem Alter sagen, dass damals nicht alles schlecht war. Ehrlich gesagt wurde mir erst während des Studiums klar, dass es überhaupt so etwas wie gute oder schlechte Unis in Deutschland gibt. Die Sache mit der Elite-Uni war irgendwie amerikanisch. Da gab es Harvard, Princeton, Yale, und wer zur Nasa wollte, der musste dahin. Ich bin in Hanau aufgewachsen, im Main-Kinzig-Kreis, hier wollte meines Wissens niemand zur Nasa.

Ein Leben im Medaillenspiegel: Heute muss man nur ein paar Minuten im Internet surfen und weiß, dass man ein Auto fährt, das nur Platz 36 in der Zufriedenheitsstudie eines Automagazins erreicht hat. (Foto: Foto: dpa)

Es hat während meiner ganzen Kindheit keine guten oder schlechten Schulen gegeben. Man ging in die Schule, die in der Nähe war oder zu der es eine vernünftige Busverbindung gab. Das waren die Kriterien. Meine Eltern brauchten für die Auswahl der richtigen Schule ungefähr so lange wie für den Kauf unserer Küchenmaschine oder des faltbaren Gästebetts. Ich halte sie für sehr gute Eltern.

Irgendwann muss das mit dem Ranking-Denken entstanden sein. Der beste Orthopäde, das gesündeste Dinkel-Hirse-Kissen. Irgendjemand muss es geschafft haben, die Menschen davon zu überzeugen, dass man alles in eine Reihenfolge bringen kann, dass alles bewertbar ist, dass wir ein Medaillenspiegel-Leben führen können, in dem es Platzierungen gibt, Reihenfolgen, Gewinner und Verlierer. Jeder kann der Beste sein, sogar ein Dinkel-Hirse-Kissen.

Früher kaufte man ein Auto, aß Joghurt oder zahlte ein Haus ab und machte sich nicht mehr Gedanken als nötig. Heute muss man nur ein paar Minuten im Internet surfen und weiß, dass man ein Auto fährt, das nur Platz 36 in der Zufriedenheitsstudie eines Automagazins erreicht hat, dass der Joghurt nur ein "ausreichend" geholt hat und dass man in den nächsten vierzig Jahren 2000 Euro hätte sparen können, wenn man seinen Bausparvertrag beim Testsieger abgeschlossen hätte. Man führt ein Durchschnittsleben, man ist im Medaillenspiegel ein Verliererland. Das erfährt man aus diesen Rankings, ich frage mich, wozu das gut sein soll.

Vermutlich gibt es gerade sehr viele Studenten, die sich fragen, wo sie studieren sollen. Ich kann nur für meinen Fall sprechen. Ich würde alle diese Listen nehmen, sie kurz durchblättern und dann in den Müll werfen. Es gibt keinen Grund, warum Volkswirtschaft in Köln einen besseren Ruf hat als in Konstanz. Vielleicht außer dass die Kölner Fakultät deutlich größer ist, somit jedes Jahr mehr Absolventen hat, die bei Umfragen nach der besten Volkswirtschafts-Fakultät Deutschlands nicht sagen werden, dass sie an einer schlechten Uni studiert haben. Ich hatte während meines Studiums in Köln bei drei der fünf Wirtschaftsweisen Vorlesungen. Die fünf Wirtschaftsweisen bewerten jedes Jahr die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Sie sind so etwas wie die coolen Hunde der VWL. Die Nasa-Jungs.

Die Wahrheit ist, ich habe von ihren Assistenten mehr gelernt als von ihnen. Ich saß in Übungen mit 400 Leuten. Dass es die Übung eines berühmten Professors war, mag irgendjemandem, der die Rankings macht, imponieren, ich hielt es für einen Witz.

Auf der nächsten Seite: Wie man seine Uni wählen sollte - und warum der Rat zwar hilfreich, aber nicht beeindruckend ist.

In Konstanz war es netter. Es gab den See, die Mensa hat eine phantastische Aussicht, man konnte über die Grenze in die Schweiz fahren und hörte die Leute seltsam sprechen. Einer meiner Mathe-Profs hatte Essensreste am Mund. An manchem Morgen hatte ich Übungen mit fünf Leuten, einer war der Essensreste-Prof. Auf der anderen Seite habe ich mich irgendwann sehr gelangweilt, weil ich in den fünf guten Kneipen, die es meiner Meinung dort gab, schon hundert Mal gewesen war.

Die beste Universität gibt es genauso wenig wie die perfekte Frau, das vollkommene Glück oder die coolste Platte. Eine Universität ist nie perfekt, sie kann nur ziemlich perfekt sein, und zwar für einen selbst. Man sollte das wirklich ungefähr so machen wie beim Kauf einer Küchenmaschine. Man schaut sich ein paar an, redet mit Freunden, die sich so ein Ding schon mal gekauft haben, und entscheidet dann nach Gefühl. Es ist kein besonders ausgeklügelter Rat, nicht so beeindruckend wie Zahlenkolonnen, wie die Bewertung mit dutzenden Kriterien, aber er ist ähnlich hilfreich. Die meisten Dinge auf der Welt lassen sich nicht in Reihenfolgen bringen. Dazu gehören das eigene Leben und ein allgemeingültiges Ranking für Universitäten.

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