Jürgen Weibler, 53, ist Professor für Betriebswirtschaft an der Fern-Universität in Hagen und Autor des Standardwerks "Personalführung". Der Professor für Betriebswirtschaft über Selbstreflexion von Managern, was ein gutes Seminar für Führungskräfte vermitteln sollte - und warum es mit einer Schulung nicht getan ist.
SZ: Was macht einen guten Chef aus?
Jürgen Weibler: Führungskompetenz ist ein Bündel aus sozial-kommunikativer Kompetenz, Fachwissen, der Fähigkeit zur Selbstreflexion und Entscheidungsfreude. Auch Neugierde auf neue Ideen und andere Menschen halte ich für unverzichtbar. Gute Vorgesetzte müssen Mitarbeiter entwickeln, denn Leistung wird in Firmen fast nie nur von einer Person erbracht.
Entscheidungsfreude und Neugier gelten als angeborene oder früh erworbene Eigenschaften, im Seminar kann man sie also nicht lernen.
Aber am Selbstvertrauen kann man gezielt arbeiten. Man kann lernen, Emotionen bei sich und anderen besser wahrzunehmen und sensibel darauf zu reagieren. Klassiker unter den Seminarthemen sind nicht umsonst Kommunikation und Konfliktlösung. Es bedarf der Einübung, das eigene Verhalten und dessen ethisches Fundament zu reflektieren. Ein Seminar kann dazu einen Anstoß geben, etwas aufbrechen, zu Veränderungen motivieren. Es ist eine Chance, aber natürlich keine Garantie.
Woran erkennt man, ob ein Führungsseminar gut ist?
Bei den großen, renommierten Anbietern kann man zumindest sicher sein, dass dort viel Kenntnis vorhanden ist. Es kommt immer darauf an, ob die Dozenten ihr Wissen weitergeben können. Ein Seminar sollte ein umfassendes Bild von Führung vermitteln. Skeptisch bin ich, wenn nur ein Erfolgsprinzip vermarktet wird. Viele wünschen sich einfache Erklärungen und Rezepte, doch die Wirklichkeit ist komplex.
Viele Seminare sind sehr kurz, können sie langfristig etwas bewirken?
Der Transfer in die Praxis gelingt oft nur bedingt. Ein Weiterbildungscontrolling, das Wirkungen im Zeitverlauf nachweist, können Sie mit der Lupe suchen! Wer nie das Zuhören gelernt hat, wird sich durch ein Seminar kaum umstellen. Da braucht es weitere Begleitung, etwa durch einen Coach. Manchmal können auch ganz einfache Methoden helfen, das Gelernte nicht zu vergessen.
Ein Knoten im Taschentuch?
So ähnlich. Ein Thema, das in Führungsseminaren immer wiederkommt, ist Feedback für Mitarbeiter. Jeder weiß, wie wichtig das ist, trotzdem geht es im Büroalltag oft unter. Vorgesetzte können sich beispielsweise einmal pro Woche einen Punkt in den Kalender setzen, der sie regelmäßig daran erinnert nachzudenken: Gab es Situationen, in denen ich ein positives oder negatives Feedback hätte geben müssen?
Etliche Manager würden jetzt wohl sagen, dazu hätten sie keine Zeit ...
Der chronische Zeitmangel der Manager ist ein Problem. Viele bilden sich gar nicht weiter, weil das Tagesgeschäft vorgeht. Dabei wird verkannt, dass gute Führung das Tagesgeschäft ungeheuer vereinfacht! Andere gehen nur ins Seminar, weil der Personalentwicklungsplan des Unternehmens das vorschreibt oder weil sie im 360-Grad-Feedback durch Vorgesetzte, Kollegen und Mitarbeiter schlecht abgeschnitten haben und dazu gedrängt werden.
Gibt es Chefs, die freiwillig hingehen?
Natürlich, die meisten wollen ja besser werden. Wer lernwillig ist, beweist damit schon eine gewisse Fähigkeit zur Selbstreflexion. Diejenigen, die sich für perfekt halten, hätten es am nötigsten zu lernen! Leider herrscht in Deutschland keine Führungskultur, sondern eine Leitungskultur: Wer eine leitende Position hat, gilt automatisch als Führungskraft. Das ist ein Irrtum. Eine echte Führungskraft ist nur, wem Mitarbeiter eine solche Leistung zuschreiben.