Therapien für Banker:Finanzmanager auf der Couch

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Die Börse ist ein stressiger Arbeitsplatz, doch psychologische Störungen sind ein Tabu in der Szene. Doch es gibt längst maßgeschneiderte Therapien für depressive Börsianer - mit Krankenschwestern in Businesskostümen.

Die Gärten und Parkanlagen sind gepflegt, das Freizeitangebot umfasst Pool-Billard, ein kleines Kino und eine eigene Kunstgalerie. Auch die Lage ist attraktiv: Die psychiatrische Privatklinik Causeway Retreat liegt nur wenige Helikopterminuten vom Londoner Finanzviertel entfernt. Das alles gehört zum Konzept, erklärt der ärztliche Direktor Brian Quinn. Eine stationäre Therapie in seiner Einrichtung kann mehr als 10000 Pfund (12650 Euro) pro Woche kosten.

Von der Psychater-Couch zum Meeting: So mancher kranker Börsianer wird dabei von einer Krankenschwester im Business-Kostüm begleitet. (Foto: Foto: iStock)

Doch Aktienhändler und Spitzenmanager sind gern bereit, diese Summen zu zahlen - sie schätzen insbesondere die Diskretion, die ihnen bei einer Behandlung in Causeway Retreat zugesichert wird. Die Warteschlange für die 15 Therapieplätze außerhalb der Sichtweite von Kollegen, Partnern und Medien wächst schnell.

Krankenschwester im Business-Kostüm

Wer hier in Behandlung ist, aber zum Beispiel ein wichtiges Meeting in der City nicht verpassen möchte, wird auch schon mal von einer Krankenschwester im Business-Kostüm begleitet. Der Patient könne selbst entscheiden, wie offen er mit seiner Erkrankung gegenüber Geschäftspartnern und Mitarbeitern umgehen will, sagt Quinn.

Das kann groteske Züge annehmen: In Causeway hätte bereits die Verwaltungsratssitzung eines Unternehmens, dass dem britischen Leitindex FTSE 100 angehört, stattgefunden. Die 14 Teilnehmer bekamen den Besuch beim Vorstandsvorsitzenden in der Sommerfrische vorgegaukelt.

Die Arbeitgeber müssen mehr für die psychische Gesundheit ihrer Mitarbeiter tun und zugleich anerkennen, dass sie während und nach einer Behandlung unverändert produktiv sein können. So lautet das Fazit einer Fachtagung über psychische Störungen, die jüngst in London stattfand.

Therapien in den Abendstunden

Ganz offen sprach Dennis Stevenson, der Konzernchef der britischen Großbank HBOS, über seinen seit 20 Jahren andauernden Kampf mit Depressionen: "Es war bei Weitem das Schlimmste, was ich je erlebt habe", sagte der 62-jährige Spitzenmanager.

Er sei aber stolz darauf, weitergearbeitet zu haben. Die Verantwortlichen in den Unternehmen müssten eine Kultur und ein Umfeld entwickeln, in dem offen mit Problemen umgegangen werden könne, ohne die eigene Karriere zu gefährden. Therapeuten und Kliniken in London stellen sich zunehmend auf die Bedürfnisse von Menschen ein, die während der Behandlung weiterarbeiten wollen. Therapien werden auf Abendstunden und Wochenenden verlegt.

Finanzkrise bedingt Probleme

Und der Druck auf die Arbeitnehmer in der Finanzindustrie nimmt ständig zu. Bis zu 400000 Angestellte - die meisten in London - könnten in den kommenden drei Jahren entlassen werden, schätzen Experten. Die Existenzängste machen viele krank: "Ich bekomme inzwischen dreimal so viele Patienten überwiesen wie im letzten Jahr", sagt der Londoner Psychologe Bennedict Cannon. Viele Probleme hingen direkt mit der Finanzkrise zusammen.

Auch aus den Daten der privaten Krankenversicherung British United Provident geht hervor, dass die Zahl der Männer, die sich wegen psychologischer Störungen in ärztliche Behandlung begaben, im zweiten Quartal 2008 im Vergleich zum Vorjahr um 47 Prozent angestiegen ist. Und ein vielbeachtetes Ranking, das die Freude an der Arbeit in London messen soll, der "City & Guilds Happiness Index'", sieht die Finanzindustrie unter 20 Berufsgruppen auf dem letzten Platz.

© SZ vom 24.07.2008/Thomas Penny Bloomberg/mei - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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