Teilzeit und Familie:Zum Wohl von Mutter und Firma

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Manche Unternehmen begreifen, dass auch sie etwas für Familien tun müssen.

Doris Näger

(SZ vom 9.6.2001) Woran erkennt man ein familienfreundliches Unternehmen? Vielleicht daran, dass es Tagesabläufe wie den von Verena Heines-Mothes zulässt: Die Betriebswirtin kommt morgens so früh in ihr Büro im 18. Stock des Hypo-Hochhauses - da kauen ihre Töchter Sabrina und Ann-Kathrin noch an ihrem Marmeladenbrot oder an den Cornflakes. Auf den Heimweg macht sie sich dann spätestens um 12.30Uhr, wenn die anderen noch fünf Stunden im Büro sitzen. So hat sie nachmittags Zeit für die Mädchen. Manchmal freilich überlässt Heines-Mothes das Spielen dem Au-Pair-Mädchen - und arbeitet an ihrem Computer weiter. "Ich hatte anfangs vor, die drei Jahre Erziehungsurlaub auszunutzen und komplett zuhause zu bleiben", sagt Heines-Mothes. "Aber dann habe ich erkannt, dass das nichts für mich ist."

Verena Heines-Mothes ist dankbar, dass sie so flexibel arbeiten kann. Die Bank ermöglicht ihr, Familie und Beruf zu vereinbaren. Das verstärkt nicht nur ihre Zufriedenheit - es dient auch dem Unternehmen. Denn wer sich in seinen persönlichen Bedürfnissen ernst genommen fühlt, arbeitet besser. "Die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist kein Luxus, sondern wirtschaftliche Notwendigkeit", sagt auch Friedel Schreyögg, die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt. Dies gilt besonders für München: Hier klagten Unternehmer schon vor 20 Jahren über Arbeitskräftemangel und wurden so zu Vorreitern in der Familienfreundlichkeit. Ganz vorne war damals das Kaufhaus Beck: Unter der Personalleiterin und heutigen Unternehmensberaterin Angela Fauth-Herkner wurden schon Mitte der siebziger Jahre flexible Arbeitszeiten für die Verkäuferinnen eingeführt - um den Frauen entgegenzukommen, aber vor allem um Stoßzeiten besser bewältigen zu können.

Die HypoVereinsbank hat ebenfalls erkannt, dass es sich rechnet, unkonventionelle Arbeitszeiten von Eltern in Kauf zu nehmen, statt für viel Geld jemand Neues einzuarbeiten. Denn von den etwa 25.000 Beschäftigten der Bank sind 55 Prozent Frauen, die schließlich meist die Erziehungsarbeit übernehmen. Hält man sie im Unternehmen, bleiben die Ausbildungsinvestitionen im Haus. Außerdem ist die Fluktuation geringer, der Krankheitsstand niedriger. Obendrein kann das Unternehmen Flexibilität auch von seinen Angestellten verlangen. Steht zum Beispiel ein besonders aufwändiges Projekt an, oder gibt es gerade viele Aufträge, ist die Motivation größer, in diesen Stoßzeiten mehr zu leisten.

Flexibel im Team

Verena Heines-Mothes arbeitet seit Sabrinas Geburt 45 Prozent der normalen Zeit, abgestimmt auf die Bedürfnisse des Unternehmens. Für die HypoVereinsbank übernimmt sie inzwischen - nach einem Trainee-Programm und nach der Betreuung von Firmenkunden - Sonderaufgaben im Personalbereich: Sie schreibt Beiträge für das Personalhandbuch, begleitet Workshops, hält Vorträge, vor allem zum Thema Familienfreundlichkeit. Im Sommer kann sie sechs Wochen Ferien machen.

Damit solche individuellen Lösungen möglich sind, hat die Bank hat das Arbeitszeitmodell "Flexibel im Team" entwickelt, das ohne Kernzeiten funktioniert und allen Mitarbeitern ermöglicht, ihre Arbeitszeit innerhalb des Teams frei zu gestalten - natürlich angepasst an die Auftragssituation und die Bedürfnisse der Kunden. Teilzeitmodelle gibt es bei der HypoVereinsbank in vielen Formen: Job-Sharing, Urlaubsvertretungen, eine Woche Arbeit pro Monat, an einzelnen Wochentagen oder klassisch halbtags. Außerdem gibt es Teilzeit auf Probe: Eine Mitarbeiterin kann bis zu sechs Monate lang testen, ob sie mit dieser Arbeitsform zurechtkommt, ob sich ihr Alltag koordinieren lässt. Am Ende dieses halben Jahres entscheidet sie gemeinsam mit der Führungskraft, wie es weiter geht.

Obendrein hilft das Unternehmen bei der Suche nach einer passenden Kinderbetreuung, bietet ein zusätzliches Jahr "Elternzeit" und bestimmt einen Ansprechpartner, der während dieser Zeit Kontakt zwischen Mutter und Firma hält. "Das halten wir für besonders wichtig", sagt Verena Heines-Mothes. Je besser der Informationsaustausch, desto besser funktioniere der Wiedereinstieg in die Arbeit. Deshalb können die Mütter und Väter auch bei Betriebsausflügen mitgehen oder Kollegen während ihres Urlaubs oder einer Krankheit vertreten. Insgesamt liegt die Teilzeitquote bei der HypoVereinsbank bei 17Prozent und damit in der Branche an der Spitze.

Die hohen Ziele

Unterstützt in ihren Bemühungen wird die HypoVereinsbank von der gemeinnützigen Hertie-Stiftung. Die hat vor sechs Jahren das von Experten um Angela Fauth-Herkner entwickelte Audit "Familie und Beruf" ins Leben gerufen. Mit dem Audit hat sich die HypoVereinsbank zum Ziel gesetzt, dass bis Mitte des Jahres 2002 ein Fünftel aller Mitarbeiter Teilzeit arbeitet. Heines-Mothes ist zuversichtlich, dass dieses Ziel erreicht wird. Allerdings bedarf es dafür einiger Lobbyarbeit. So muss auch mal zwischen Mitarbeitern und Führungskraft vermittelt werden.

Die Gleichstellungsbeauftragte Friedel Schreyögg kennt auch Diskriminierung von Teilzeitarbeitenden: "Die Kollegen besprechen sich beispielsweise regelmäßig dann, wenn der Betroffene nicht im Büro arbeitet. Bei Problemen heißt es vorwurfsvoll: ,Du bist ja nie da.'" Die Wenigsten seien bereit, eine eingeschränkte Präsenz ihrer Kollegen zu akzeptieren. Deshalb müsse eine ganzheitliche Familienpolitik auch darauf abzielen, die Strukturen in den Betrieben zu ändern: "Mit Teilzeit und mehr Kindergärten ist es noch lange nicht getan", bestätigt Angela Fauth-Herkner. Das Klima insgesamt müsse positiv auf Familien eingestellt sein. Die Chefs glauben oft, dass alles nur Geld kostet - und übersehen dabei, dass motivierte, ernst genommene Mitarbeiter ihr Unternehmen von vielen anderen unterscheiden können.

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