Tarifliche Niedriglöhne in NRW:Die Schlechtverdiener

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Ein Bruttogehalt von 793 Euro monatlich erhalten Hilfskräfte in Friseursalons. Auch in anderen Tarifbereichen gibt es Jobs zu Minilöhnen.

Von Hans-Jörg Heims

Hilfskräfte im Friseurhandwerk erhalten derzeit mit 793 Euro den niedrigsten Tariflohn. Das geht aus dem ersten Tarifspiegel hervor, den der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Harald Schartau (SPD) am Mittwoch vorgestellt hat. Zur Erarbeitung des Tarifregisters wurden 234 derzeit gültige Tarifverträge ausgewertet. Danach enthalten 47 Tarifverträge Niedriglohngruppen bis zu einem Bruttomonatsverdienst von 1300 Euro. Diesen Betrag erhalten etwa 42 Prozent der Beschäftigten im produzierenden Gewerbe sowie einigen Dienstleistungsbereichen.

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Schartau sagte, der Tarifspiegel solle im Hinblick auf die im Zusammenhang mit der Umsetzung von Hartz IV zu erwartende Diskussion um die Zumutbarkeit von bestimmten Tätigkeiten eine Orientierungshilfe geben. Der Arbeitsminister, der auch dem SPD-Präsidium angehört, wandte sich gegen Überlegungen, per Gesetz Mindestlöhne festzulegen. "Der Staat sollte möglichst die Finger davon lassen, in tarifautonome Regelungen einzugreifen", sagte er. Nach Ansicht von Schartau sind die in einigen Branchen gezahlten Löhne und Gehälter nicht zu hoch. "Wer diese Löhne noch unterschreiten will, muss sehr gute Argumente haben", erklärte der SPD-Politiker mit Hinweis auf die Auflistung der am schlechtesten bezahlten Tätigkeiten.

Zu den Schlechtverdienern zählen außer der Hilfskraft im Friseursalon Hilfskräfte in italienischen Eissalons, Melker, Wachleute in geschlossenen Objekten, ungelernte Verkäuferinnen und Tierarzthelferinnen. Auch für Tätigkeiten in Privathaushalten haben der Hausfrauenbund und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss und Gaststätten nur einen tariflichen Mindestlohn von 1056 Euro ausgehandelt.

Nach Angaben von Schartau liegt das Gros der Niedriglohnsätze im Bereich zwischen 1000 und 1100 Euro. Zum Vergleich: Das staatliche Mindestlohn-Niveau in Großbritannien beträgt 1083 Euro, in Frankreich 1173 Euro und in den USA 727 Euro. An der Spitze der tariflich vereinbarten Löhne und Gehälter liegt das Baugewerbe, wo bestimmte Tätigkeiten mit 4532 Euro entlohnt werden. Es folgen Wasser- Gas- und Elektrounternehmen (4640 Euro) sowie Brauereien (4411 Euro).

Insgesamt sind derzeit in Westdeutschland 71 Prozent der Arbeitnehmer in Betrieben mit Tarifbindung beschäftigt. 48 Prozent der westdeutschen Betriebe sind tarifgebunden - darunter drei Prozent durch Firmentarifverträge. Weitere 22 Prozent orientieren sich an Branchentarifverträgen.

Zur Minderheit der völlig frei verhandelnden Wirtschaftszweige zählt die Freizeit- und Wellness-Industrie. In dieser boomenden Branche würden gering Qualifizierte zum Teil sehr niedrig bezahlt, sagte Schartau. Dies müsse aber nicht in jedem Fall sittenwidrig sein. Der Arbeitsminister verwies auf ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, wonach sich die Sittenwidrigkeit einer Lohnvereinbarung ausschließlich auf einem Missverhältnis zwischen einer Arbeitsleistung und dem dafür bezahlten Entgelt gründe. "Ein Lohn unterhalb des Sozialhilfeniveaus kann durchaus zumutbar sein", sagte der SPD-Politiker.

© SZ vom 9.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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