Tabu:Zahlbar bei Erfolg

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Sollen Unternehmensberater für ihre Strategien haften?

Birgit Obermeier

(SZ vom 26.1.2002) Für den Schweizer Management-Guru Fredmund Malik liegen die Dinge klar: "Verantwortung für Ergebnisse ist das einzige, was in der Wirtschaft wirklich zählt."

Sind die Ergebnisse gut, muss nach den Verantwortlichen nicht lange gesucht werden. Für Verluste, Entlassungen und Firmenpleiten hingegen will niemand gern persönlich zuständig sein - hier bemüht man gerne eine schwächelnde Konjunktur oder neuerdings den 11. September. Nur bei offenkundigen Fehlentscheidungen muss auch mal ein Manager seinen Hut nehmen. Die smarten Unternehmensberater jedoch, die ihm mit strategischem Rat zur Seite standen, ziehen sich mit gefülltem Säckel diskret zurück.

Ende der Party

Mit rund zwölf Milliarden Euro erzielte die Beratungsbranche im Jahr 2000 einen Rekordumsatz. Die Zunft hatte sich die allgemeine E-Business-Euphorie zunutze gemacht und ihr Leistungsspektrum flugs um die lukrative IT-Beratung erweitert. Mittlerweile ist aber auch für sie die Party vorbei: Aus dem für 2001 prognostizierten Wachstum von zwölf Prozent sind nur knapp drei geworden, und der Sockel der von den Wirtschaftsbossen einst so hoch geschätzten Ratgeber wackelt.

Die Kunden, derzeit selbst arg gebeutelt, werden kritischer. "Sie verlangen zunehmend, dass die Berater einen Teil des Risikos übernehmen", gesteht Achim Riemann, Deutschland-Chef der US-Beratung Arthur D. Little.

Bezahlung nach Erfolg - vor einigen Jahren galt dieses Prinzip in der Branche als nahezu unanständig. Beratungen, die danach agierten, wurden als unseriös abgestempelt, der Beitritt zum Bundesverband Deutscher Unternehmensberater (BDU) in Bonn war ihnen verwehrt. Jetzt sehen sich die bisherigen schwarzen Schafe bestätigt; das Tabu bröckelt. "Wir sind gegenüber den Kunden dem Erfolg unserer Projekte verpflichtet", sagt Rudolf Spitzmüller, Vorstand der im schwäbischen Gengenbach ansässigen Spitzmüller AG. Die Technologie- und Finanzierungsberatung hat in 20 Jahren über 5000 Projekte erfolgsbezogen abgerechnet.

Faktor Mensch

Die entscheidende - und heikle - Frage dabei: Wie definiert man Erfolg? "Dazu bedarf es einer eindeutigen, vertraglich geregelten Bemessungsgrundlage", sagt Spitzmüller. Die ist in seinem Fall leicht zu fassen. Spitzmüller hilft innovativen mittelständischen Unternehmen bei der Erschließung von staatlichen und privaten Finanzierungshilfen. Sind die Gelder bewilligt, kassiert die Beratung einen prozentualen Anteil. Ähnlich objektiv lässt sich Erfolg oft bei Projekten messen, die konkrete Einsparungen zum Ziel haben - sei es in Form von Energie, Kosten oder Zeit.

Die international tätige Unternehmensberatung Celerant Consulting lässt sich beispielsweise für derartige Strategien nach dem messbaren Spar-Erfolg bezahlen. Selbst bei Arthur D. Little, weltweit eine der Top-Ten-Beratungen, werde bereits die Hälfte der Kostensenkungsprojekte nach Leistung abgerechnet, versichert Riemann.

Schwierig wird es bei komplexen Beratungsleistungen wie der Umstrukturierung eines Unternehmens. Längst nicht alle Prozesse lassen sich dort sinnvoll quantifizieren. Zudem zählen gerade hier nicht kurzfristige, sondern nachhaltige Erfolge. Und dann ist da noch der unsichere Faktor Mensch. Spielen die Mitarbeiter nicht mit, fällt die schönste Strategie wie ein Kartenhaus zusammen.

Gretchenfrage

Gründe genug für viele Beratungen, eine Verantwortung für ihre Empfehlungen abzulehnen. "Der Berater beeinflusst das operative Ergebnis nur mittelbar", sagt Karl Wilhelm Vogel, Partnergesellschafter bei Roland Berger in München. Der Erfolg eines Projekts beruhe zu einem guten Teil auf den Entscheidungen des Managements und dessen Durchsetzungskraft. "Die Berater zur Verantwortung ziehen hieße, wir hätten unfähige Manager", polemisiert BDU-Präsident Rémi Redley.

Womit sich die Gretchenfrage stellt: Was ist die Rolle des Unternehmensberaters? Klassisch betrachtet die eines externen, zeitlich begrenzt engagierten Ratgebers. Der muss vor allen Dingen unabhängig sein, um unternehmerische Zusammenhänge erkennen und wertfrei beurteilen zu können. Die Beziehung zu seinem Auftraggeber ist stark geprägt durch Vertrauen. Ob und inwieweit die Empfehlungen umgesetzt werden, liegt im Ermessen des Managers - und letztlich auch in dessen Verantwortung.

In der Praxis hat sich das Verhältnis in den vergangenen Jahren freilich verändert. Die Berater begleiten ihre Kunden nicht mehr nur projektweise, sondern oft kontinuierlich über Jahre hinweg - und gerieren sich in der Folge als Partner des Managements. Andersherum betrachtet: Firmenchefs betrauen ihre Berater mit Aufgaben, die nicht ihrer klassischen Rolle entsprechen.

Das beginnt bei der weithin geforderten Umsetzung der Strategien und endet beim Einsatz als so genannter "Trouble Shooter". Der wird in brenzligen Situationen gerufen, für unpopuläre Entscheidungen vorgeschoben und interimsweise mit weit reichenden Managementkompetenzen versehen. Dass sich dabei früher oder später die Frage nach seiner Verantwortung stellt, liegt nahe.

Schleichende Verwischung

André Wohlgemuth, Inhaber der Zürcher Unternehmensberatung Arcom, fordert daher, "der schleichenden Verwischung eines im Kern sehr klaren Berufsprofils entgegenzuwirken - auch durch verstärkte Medienarbeit".

Die Berater sollten sich auf ihre klassischen Tätigkeitsfelder konzentrieren. Die Manager ihrerseits täten gut daran, ihre Ratgeber mit derselben Sorgfalt auszuwählen, mit der sie Schlüsselpositionen besetzen. Dennoch: "Es ist eine Illusion zu glauben, in der Beziehung zwischen Klient und Berater ließen sich Risiken ausschalten", warnt Wohlgemuth. "Schließlich geht es beim Consulting darum, etwas zu bewegen"

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