SZ-Kommentar:Jagoda am Ende, Debatte am Anfang

Oliver Schumacher

(SZ vom 9.2.2002) Deutschland ist bisweilen ein seltsames Land. Beispiel Bundesanstalt für Arbeit: Seit Jahren verweisen renommierte Fachleute auf Mängel im Nürnberger System. Doch ihre Klagen über ineffektive Milliardenprogramme blieben weit gehend ungehört, fast nichts passierte. Das Establishment machte ungerührt weiter. Auch wenn der aktuelle Anlass betrüblich stimmt - die trügerische Ruhe ist zumindest gestört. Die Bundesrepublik beginnt, über die Schwächen ihrer Arbeitsverwaltung zu debattieren. Noch stehen zweitrangige Themen im Vordergrund: Kann Behördenleiter Bernhard Jagoda im Amt bleiben? (Recht unwahrscheinlich.) Übersteht Kanzleramtsminister Hans Martin Bury die Affäre? (Sehr wahrscheinlich.)

Für die politische Klasse mögen diese Fragen elektrisierend sein. Entscheidend sind sie nicht. Wichtiger als Personalspekulation ist eine inhaltliche Neuausrichtung.

Diskussionsstoff gibt es genügend: Wie können die Arbeitsämter Job Suchende besser betreuen und fördern? Auf welche Weise gelingt es, die Qualifizierung zu verbessern, sodass die Firmen geeignetes Personal finden? Nicht minder drängt eine Reform der Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen (ABM). Die Zweifel am Nutzen vieler ABM-Stellen werden schließlich immer lauter. Hier sind mutige, auch unpopuläre Einschnitte kaum zu vermeiden.

Patentrezepte wird es nicht geben. Auch sollte sich niemand rasante Fortschritte erhoffen. Die Verhältnisse sind zu komplex. Jene, die jetzt eine Zerschlagung der Bundesanstalt fordern, machen sich die Sache ziemlich einfach. Diese Fundamentalkritiker liefern zwar Schlagzeilen. Ernsthaftes zur Lösung der Krise bieten sie jedoch nicht.

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