Studiengebühren:"Höhere Kosten gehen zu Lasten des Studiums"

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Mindestens 500 Euro pro Semester soll das Studium in mehreren Bundesländern künftig kosten. Doch ein Viertel der Studierenden hat nicht viel mehr als den Sozialhilfesatz zum Leben. Ein Interview über die Auswirkungen von Studiengebühren.

Das Bundesverfassungsgericht hat den Weg frei gemacht für Studiengebühren in Deutschland. Doch woher soll das Geld dafür kommen? Das Deutsche Studentenwerk (DSW) kennt die soziale Lage der Studierenden. Nicola Holzapfel sprach mit DSW-Generalsekretär Achim Meyer auf der Heyde.

"Sie können nicht jemanden mit einer Darlehensschuld von 90.000 Euro ins Erwerbsleben entlassen", sagt Meyer auf der Heyde. (Foto: Foto: Deutsches Studentenwerk)

sueddeutsche.de: Werden die Unis jetzt eine Enklave der Reichen?

Meyer auf der Heyde: Das hängt davon ab, welche Finanzierungssysteme es gibt. Und ob sich das Studium unter Rendite-Gesichtspunkten als attraktiv herausstellt.

Wenn nicht alle Länder Studiengebühren einführen, werden die Hochschulen, die nichts kosten, sicherlich einen stärkeren Zulauf erhalten. Dadurch verbessern sich die Studienbedingungen natürlich nicht, wenn nicht gleichzeitig durch eine bessere Ausstattung der Hochschulen nachgesteuert wird.

sueddeutsche.de: Dann wird es also arme und reiche Unis für arme und reiche Studenten geben?

Meyer auf der Heyde: Das könnte durchaus sein. Ähnlich wie es sich auch im internationalen Vergleich abbildet.

sueddeutsche.de: Wie müssten Stipendiensysteme ausschauen, die das vermeiden könnten?

Meyer auf der Heyde: Die Belastung der Studierenden muss transparent und auch kalkulierbar sein. Das Bafög ist ein gutes Beispiel dafür. Da ist der maximale Darlehensbeitrag gedeckelt. Das heißt, Sie studieren und wissen: Wenn Sie in das Erwerbsleben übertreten, haben Sie maximal 10.000 Euro Darlehen abzuzahlen.

Die Modelle, die derzeit im Gespräch sind, sind nicht tragfähig. Sie gehen teilweise von einer kompletten Darlehensfinanzierung von Lebenshaltungskosten und Studiengebühren - und das sind dann immerhin rund 50.000 Euro - aus. Sie können nicht jemanden in das Erwerbsleben entlassen mit einer Darlehensschuld, die - möglicherweise noch zuzüglich Zinsen - bei 80.000 oder 90.000 Euro liegt. Das ist eine erhebliche Vorbelastung.

sueddeutsche.de: Was wird denn mit dem Bafög passieren? Wird das abgeschafft?

Meyer auf der Heyde: Ich gehe davon aus, dass das Bafög bleibt. Das ist ja eine gemischte Bund-Länder-Finanzierung. Das Bafög ist auch ein gutes Instrument, gerade denen, die sich das Studium aus Einkommensgründen nicht leisten können, den Zugang zu ermöglichen.

Was die Finanzierung von Studiengebühren betrifft, sind jetzt erst einmal die Länder gefordert. Denn die haben in dem Verfahren vorm Bundesverfassungsgericht deutlich gemacht, dass sie sozialverträgliche Lösungen anbieten könnten. Das muss ja jetzt nicht Bundesaufgabe sein und damit übers Bafög abgefedert werden.

Oder man nimmt das österreichische Modell und befreit Bafög-Empfänger a priori von Studiengebühren.

sueddeutsche.de: Sehen Sie auch positive Wirkungen des Urteils? Zum Beispiel, dass die Studienzeiten kürzer werden?

Die Studienkontenmodelle, die in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz bereits existieren, gehen in dieselbe Richtung. Dort wird eine Gebühr fällig, wenn man nicht innerhalb einer bestimmten Zeit studiert. Das reicht genauso gut. Dafür muss man nicht zusätzliche Gelder aktivieren.

Die Frage ist ja auch, ob nicht der Verwaltungsaufwand, beispielsweise für das Inkasso-Verfahren, nicht viel zu hoch ist und bei den Hochschulen dann im Endeffekt gar nicht so viel hängen bleibt.

Und wie lange haben überhaupt die vollmundige Versprechungen Bestand, dass die Hochschulen das Geld bekommen? Es kann ja auch sein, dass ähnlich wie in Australien und den USA, der staatliche Anteil an der Finanzierung weiter sinken wird. Das müsste entweder durch weiter steigende Studiengebühren aufgefangen werden oder die Finanzausstattung der Hochschulen würde sich überhaupt nicht verbessert.

sueddeutsche.de: Die Befürworter von Studiengebühren sagen ja, dass dadurch die Finanzierung gerechter wäre: Weil die Studenten, die vom Studium profitieren, dann auch dafür zahlen.

Meyer auf der Heyde: Für mich zieht dieses Argument nicht. Wer studiert, erzielt ein höheres Einkommen - das ist richtig. Aber die Lohnspreizung in Deutschland ist viel zu gering ist, um die Rendite-Effekte eines Studiums zu erzielen, wie sie in Australien und den USA der Fall sind.

Und die Akademiker zahlen durch ihr hohes Einkommen über die Steuern durchaus auch einen hohen Beitrag zurück.

sueddeutsche.de: Bis zu welcher Höhe halten Sie Studiengebühren für machbar?

Meyer auf der Heyde: Manche sagen, die 500 Euro pro Semester, bzw. 1000 im Jahr, sind doch kein Problem. Aber 27 Prozent der Studierenden erzielen Einnahmen von maximal 600 Euro. Das ist nicht viel mehr als der Sozialhilfesatz und entspricht auch der Unterhaltsverpflichtung der Eltern, die ihre Kinder voll unterstützen. Wenn da noch 83 Euro monatlich, das ist ein Zwölftel von Tausend, dazukommen, ist das eine herbe Belastung.

Für einen Studierenden, der ein Einkommen von 1200 Euro hat - die gibt es ja auch - sieht das natürlich anderes aus. Deshalb kann man gar keine Aussage darüber treffen, welche Höhe gerechtfertigt ist.

sueddeutsche.de: Ihre jährliche Erhebung zur sozialen Lage der Studenten zeigt, dass die meisten nicht mit dem zurecht kommen, was sie an Bafög oder von den Eltern bekommen und dazuverdienen müssen

Meyer auf der Heyde: Das ist das nächste Problem. Höhere Kosten führen zu höherer Erwerbstätigkeit und gehen zu Lasten des Studiums. Jede Stunde, die mehr gearbeitet wird, reduziert die wöchentliche Studienzeit um eine halbe Stunde

sueddeutsche.de: Erwarten Sie, dass sich jetzt weniger Studenten einschreiben werden?

Meyer auf der Heyde: Das kann durchaus eintreten. Wir haben diesen Effekt ja schon gehabt: Nach der Einführung von Langzeitstudiengebühren ist die Studierendenzahl in Deutschland abgesunken. Bei den Neuanfängern könnte das jetzt auch eintreten.

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