Studiengebühren:Die Hochschulen bitten zur Kasse

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Weil sich der Staat aus der Finanzierung zurückzieht, wird auch in Bayern das kostenlose Studium bald der Vergangenheit angehören.

Von Christine Burtscheidt

Bis zum Physikum erlebte Klaus Becker (Name geändert) das Medizinstudium an der Münchner Universität als Massenbetrieb. 300, 400 Studenten in einer Vorlesung - "es gab immer ein Gedränge", erzählt der 26-Jährige. Häufig mussten Dozenten ihre Vorträge per Video sogar in Nachbar-Hörsäle übertragen. Besser lief später die klinische Ausbildung, obgleich sich auch hier 40 Studenten und mehr über ein einziges Krankenbett beugten. Doch Becker hat sich durchgeboxt. Inzwischen steht er vor dem zweiten Staatsexamen.

Studenten an der Uni Würzburg (Foto: Foto: dpa)

Wie internationale Studien belegen, investiert Deutschland zu wenig in seine Hochschulen. Trotzdem sind Kürzungsrunden angesagt - auch in Bayern. Die Folgen sind spürbar: Seminare sind schon jetzt zu 200 Prozent ausgebucht. Doch bis 2011 wird im Freistaat die Zahl der Studenten um 30 Prozent auf mehr als 300.000 steigen. Der letzte starke Jahrgang drängt in die Hochschulen und verursacht enorme Kosten. Das Losungswort heißt deshalb "Studienbeiträge". Falls das Bundesverfassungsgericht am 26. Januar wie erwartet das Gebührenverbot aufhebt, wird in Bayern das Erststudium kostenpflichtig. Dass es so kommen wird, daran zweifelt inzwischen keiner mehr.

Der Student als Kunde

Die CSU, die jahrelang den Gebühren skeptisch gegenüberstand, vollzog den Kurswechsel 2003 nach den Landtagswahlen. Nicht zuletzt auf Drängen der bayerischen Uni-Rektoren. Sie versprechen sich mehr Wettbewerb in der Lehre, wenn der Student Kunde wird. Vor allem aber hoffen sie dadurch die immer größer klaffende Finanzierungslücke an den Hochschulen zu schließen.

Doch Studiengebühren sind politisch ein heißes Eisen. Alles muss mit größter Vorsicht geschehen. Mehr als 500 Euro pro Semester dürfen es in Bayern denn vorerst auch nicht sein, sollten sie zum Wintersemester 2005/06 kommen. "Mit dieser Grenze haben wir uns an dem orientiert, was Eltern bereits beim Kindergarten zahlen", versucht Wissenschaftsminister Thomas Goppel die Sache klein zu reden.

Während die Rektoren über derlei Vergleiche schäumen, ist die Schmerzgrenze für Studenten längst überschritten: "Damit entscheidet künftig nur noch der Geldbeutel der Eltern über den Bildungszugang", sagt Johannes Kaindl vom Asta der Universität Augsburg. Nahezu alle Studentenvertreter in Deutschland teilen diese Meinung. Am Wochenende treffen sie sich in Frankfurt, um über Proteste nachzudenken.

Dabei ist längst Realität, was die Studenten befürchten: In keinem Land hängt das Ausbildungsniveau so sehr von der sozialen Herkunft ab wie in Deutschland. Das schlechte Zeugnis, das die Pisa-Studie Schulen ausstellte, trifft ebenso auf Hochschulen zu. Nach einer Erhebung des deutschen Studentenwerks ergreifen knapp 50 Prozent der Kinder aus der Oberschicht ein Studium, aus bildungsfernen Schichten sind es nur 13 Prozent. Im reichen München schnurrt die Quote nochmals auf acht Prozent zusammen. Klaus Becker ist einer der wenigen.

Bei seinen Eltern sitzt das Geld ziemlich knapp. Der Vater ist Hausmeister bei Gericht, die Mutter Verkäuferin. Urlaub machen sie zu Hause am Bodensee. Studieren kann der 26-Jährige, der in der Schule stets gute Noten hatte, nur deshalb, weil er Bafög bezieht: "Das ist schon eine wichtige Stütze", sagt er. Monatlich erhält er 250 Euro. Hinzu kommt das Kindergeld, das die Eltern vom Staat beziehen, nochmals 150 Euro. Mit Gelegenheitsjobs bei privaten Rettungsdiensten kommt der Medizinstudent auf ein monatliches Einkommen von 500 Euro. Das ist in München unterstes Limit. Davon bestreitet er 250 Euro Miete für das Zimmer im Studentenwohnheim, Essen, Lernmittel, Studentenwerksbeitrag und seit diesem Semester auch Verwaltungsgebühren.

Durchschnittlich benötigen Studenten in Deutschland 639 Euro monatlich zum Leben. In München sind es sogar 762 Euro. Die Hälfte davon, so die Erhebung des deutschen Studentenwerks, steuern in der Regel die Eltern bei. Doch Beckers Vater kann nichts zuschießen. Und der Sohn sagt: "500 Euro - das geht gerade so auf, ohne im Minus zu landen." Ab und an genehmigt er sich eine Kino- oder Opernkarte. Zum Luxus zählt jedoch bereits das Essengehen: "Das genieße ich dann." Eine Nacht mit Freunden durch die Münchner Kneipenszene ziehen, das ist nicht drin. Verkniffen hat er sich aus finanziellen Gründen auch einen Aufenthalt im Ausland. Müsste er Gebühren zahlen, wäre für ihn unter den derzeitigen Bedingungen ein Medizinstudium nicht mehr möglich. "Das Bafög müsste schon deutlich erhöht werden."

Zinsgünstige Darlehen

Natürlich will keiner, dass die Quote der Uni- und Fachhochschulabsolventen zurückgeht. Auch nicht die CSU. Mit rund 30 Prozent eines Jahrgangs steht Bayern im internationalen Vergleich ohnehin schon schlecht da. "Die Ausgestaltung von Studienbeiträgen muss sozialverträglich erfolgen", heißt es im "Qualitätspakt Hochschule" der CSU-Fraktion. Die Idee ist, nachgelagerte Gebühren einzuführen. Studenten, die sich ein kostenpflichtiges Studium nicht mehr leisten könnten, sollen ein zinsgünstiges Darlehen aufnehmen. Den Betrag müssten sie erst zurückzahlen, wenn sie einen Arbeitsplatz hätten. Für Menschen wie Becker kämen zu den 18.000 Euro, die an Bafög-Schuld zurückzuzahlen sind, nochmals 5000 bis 6000 Euro Gebühren hinzu. Alle anderen müssten die Studienbeiträge sofort zahlen - vermutlich, denn noch gibt es keine Ausführungsbestimmungen.

Als Darlehensgeber stünden Finanzinstitute wie die Hypovereinsbank bereit. Allerdings, wie man hört, nicht bei so kleinen Beträgen wie jährlich 1000 Euro. Sie wären für zinsgünstige Kredite nur dann zu gewinnen, wenn es um solche Summen monatlich ginge. Also um Darlehen, die sowohl Gebühren wie auch Lebenshaltungskosten abdecken. Das eh zu knapp bemessene Bafög wäre dann verzichtbar. Ob das der Staat will, steht jedoch in den Sternen. Ein Darlehen von monatlich 1000 Euro würde am Ende des Studiums immerhin zu einer enormen Schuldenlast führen. "Dann müsste die Ausbildung so gut wie an Spitzen-Unis in den USA sein", sagt Medizinstudent Becker. Doch dazu werden die Gebührenerlöse wohl kaum reichen.

Seriöse Berechnungen gehen davon aus, dass die Hochschulen ihre Mittel für die Lehre allenfalls um zehn Prozent steigern könnten. Sofern sie die Gebühren auch komplett erhalten, wie es die CSU versprochen hat.

© SZ vom 13.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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