Studie:Allein im weiten Hochschulflur

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Der Dozent ist fern, die Kommilitonen fremd: Studenten klagen über zu große Anonymität.

Von Britta Mersch

Bei Heike lag es an einer Krankheit, Dirk fehlte die Betreuung durch die Professoren. Irgendwann zwischen dem zwölften und dem 16. Semester haben die beiden Bremer Studenten den Anschluss an der Universität verpasst. Im Massenbetrieb Hochschule fühlten sie sich verloren: "Eigentlich war ich kurz davor, meine Diplomarbeit zu schreiben", erzählt der 32-jährige Dirk. "Aber dann haben sich andere Alternativen aufgetan" - und das Unternehmen Universität war für ihn ohne Zertifikat abgeschlossen.

Rettung im Angebot: Beratungsstellen der Hochschulen versuchen Studenten zu helfen. (Foto: Foto: ddp)

Dirks Weg ist in Deutschland beileibe keine Ausnahme: Jeder vierte Student bricht seine Ausbildung ab, häufig erst unmittelbar vor der Examensarbeit.

Ein möglicher Grund dafür ist die unzureichende Betreuung durch Professoren. Rund die Hälfte der angehenden Akademiker gibt an, kaum Kontakt zum Lehrpersonal zu haben. Das ist eines der ernüchternden Ergebnisse im aktuellen Studierendensurvey des Bundesbildungsministeriums. Gut jeder fünfte Student klagt sogar darüber, noch nie persönlich mit einem Dozenten gesprochen zu haben. "Für die allermeisten Studierenden bleibt die Gemeinschaft der Lehrenden und Lernenden eine bloße Idee oder Illusion", kommt die Untersuchung zu einem drastischen Urteil.

Besonders in den Geistes- und Kulturwissenschaften ist das Gejammer groß. Denn nicht nur zu den Professoren fehlt der Draht - die Studenten sprechen offenbar auch wenig miteinander. Fast jeder fünfte angehende Geisteswissenschaftler hat mit seinen Kommilitonen nichts zu schaffen. Kein Wunder, dass die Universität insgesamt als eine äußerst anonyme Institution wahrgenommen wird.

Deutlich kontaktfreudiger sind dagegen zukünftige Mediziner, Naturwissenschaftler und Ingenieure. Die Untersuchung des Ministeriums sieht den Grund dafür in den wesentlich strafferen Seminarplänen dieser Fächer: "Damit sind die Studierenden kontinuierlich mit den jeweils gleichen Studierenden zusammen." Das gemeinsame Lernen fördert zudem die Motivation, bis zum Examen durchzuhalten - die Abbruchquoten sind in diesen Fächern deutlich kleiner.

Um Studenten auch in den anderen Fächern davon abzuhalten, kurz vor dem Examen aus der Hochschule zu fliehen, gibt es an vielen Unis Angebote zur Rettung bedrohter Examensarbeiten - und ihrer Verfasser. Dazu gehören psycho-soziale Beratungsstellen oder Vorlesungsreihen zur besseren Organisation. An der Universität Bremen gibt es sogar ein Kolloquium für Langzeitstudenten, die durch Nebenjob, Kind oder Krankheit das Studium aus den Augen verloren haben. "Da reicht es nicht, einmal zum Professor zu gehen und dann in drei, sechs oder zwölf Monaten die fertige Arbeit abzugeben", sagt Initiatorin Eva Schöck-Quinteros. "Die Studenten brauchen ein Kollektiv, in dem sie sich immer wieder mit anderen austauschen können."

Das Konzept hat Erfolg: Die meisten Seminarteilnehmer haben das Examen nach ein paar Monaten geschafft. Damit demonstriert Schöck-Quinteros, was auch der Studierendensurvey belegt: Viele soziale Kontakte an der Uni erhöhen die Chance, ein Studium erfolgreich zu beenden.

© SZ vom 18.7.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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