Studenten:Auf den Magen geschlagen

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Jeder fünfte Hochschüler hat psychische Probleme - am Ende stehen oft Drogen und der Abbruch des Studiums.

Von Simone Utler

(SZ vom 29.9.2003) Ein Studium macht nicht unbedingt glücklich: Drogenkonsum, Schlaf- und Ess-Störungen oder Depressionen gehören für viele der fast zwei Millionen Studenten in Deutschland zum Alltag. Jeder fünfte von ihnen hat psychische Probleme, fühlt sich "seelisch nur mittelmäßig oder sogar schlecht". Das zeigen jetzt erste Ergebnisse einer Studie des Forschungsschwerpunktes Sucht der Katholischen Fachhochschule Nordrhein-Westfalen in Köln.

In der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Untersuchung, deren endgültige Ergebnisse Anfang nächsten Jahres präsentiert werden sollen, gaben rund 2500 Studenten aus den drei nordrhein-westfälischen Hochschulstädten Köln, Paderborn und Aachen Auskunft über ihren Drogenkonsum und andere so genannte suchtnahe Verhaltensweisen. "Wir wollen langfristig eine bessere Suchtprävention in der Hochschullandschaft schaffen und somit die seelische und körperliche Gesundheit der Studierenden verbessern", sagt Anne Pauly, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Forschungsschwerpunkt Sucht das Projekt begleitet. Gemeinsam mit den psychosozialen Beratungsstellen wollen die Kölner Wissenschaftler ein umfassendes Vorbeugungskonzept entwickeln.

Weniger Raucher

Die Kölner Studie erforscht eine wissenschaftliche Wüste. Der Forschungsstand zur Suchtproblematik von Studenten hier zu Lande ist eher dürftig, auch wenn etwa schon die letzte Sozialerhebung des Deutschen Studentenwerks (DSW) deutlich machte, wie drängend das Problem ist; mehr als ein Viertel der Hochschüler haben demnach durch psychische Beeinträchtigungen Probleme mit dem Studium.

Zunächst jedoch bringt die aktuelle Untersuchung auch unerwartete Ergebnisse zutage: So wurde die Arbeitshypothese, derzufolge Studenten eine besonders suchtanfällige Klientel seien, nicht durchgehend bestätigt. Beim Nikotin-Konsum etwa liegen Hochschüler deutlich unter dem Durchschnitt der Bevölkerung: Rund 20 Prozent von ihnen greifen regelmäßig zur Zigarette, während 43 Prozent der männlichen und 33 Prozent der weiblichen Bundesbürger Raucher sind. Mit neun Prozent leiden die Studenten dagegen deutlich häufiger an Ess-Störungen als das Gros der Bevölkerung. Und: Hochschüler sind offenbar Gelegenheitskiffer: Immerhin 27,7 Prozent rauchen bis zu 16 Mal im Jahr Marihuana.

Teilweise erhebliche Unterschiede beim Sucht- oder suchtnahen Verhalten bestehen zwischen Studenten und Studentinnen. So etwa beim Alkoholkonsum. Fast jeder vierte Student neigt zum exzessiven Trinken und konsumiert mehr als fünf Drinks in weniger als drei Stunden; bei den Frauen sind es nur 6,7 Prozent. Insbesondere der Alkoholkonsum hat auch Auswirkungen auf das Hochschulleben und den Studienerfolg: 16 Prozent der Hochschüler kamen nach eigenen Angaben bereits einmal oder mehrfach zu spät zu einer Vorlesung, weil sie am Vortag getrunken hatten, 20 Prozent gingen wegen eines Katers gar nicht erst hin.

Kein Einzelfall

Regelmäßiger Alkohol, Nikotin- oder Cannabis-Konsum und psychische Störungen hängen nach Ansicht der Kölner Suchtforscher eng zusammen. Für Rainer Holm-Hadulla, dem ärztlichen Leiter der psychotherapeutischen Stelle des Studentenwerks in Heidelberg, sind die psychischen Störungen wiederum ein Hauptgrund dafür, dass jeder dritte Student in Deutschland sein Studium vorzeitig und ohne Examen abbricht.

"Es ist kein Einzelfall, dass besonders begabte Studenten aus psychischen Gründen weit hinter ihren Möglichkeiten bleiben", sagt Holm-Hadulla. Viele Studierende litten unter allgemeinen Hemmungen, Unsicherheit und Ziellosigkeit. "Gerade am Anfang fällt es vielen schwer, Fuß zu fassen. Die Uni muss den Studenten mehr Struktur und Halt bieten."

Dafür soll nach Ansicht Holm-Hadullas auch eine möglichst frühe psychologische Beratung sorgen. Eine solche wird etwa an zahlreichen amerikanischen Hochschulen längst angeboten; dort suchen 30 bis 40 Prozent der Studenten einen psychologisch versierten Counselor. In Deutschland nehmen dagegen gerade einmal fünf Prozent die einschlägigen Beratungsdienste in Anspruch. Dabei hat eine Studie an der Universität Heidelberg gezeigt, dass bereits fünf bis zehn Sitzungen das Selbstvertrauen und die Handlungsorientierung der Hochschüler deutlich verbessern können.

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