Stress im Job:"Burnout ist ansteckend"

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Jeder kann ausbrennen und viele erwischt es: Was der Einzelne und Arbeitgeber dagegen tun können.

Wann das Burnout-Syndrom in Unternehmen zum Problem wird, erklärt Matthias Burisch. Er ist Professor für Psychologie an der Universität Hamburg und berät Manager und Unternehmen.

Gefährliches Klima: In manchen Unternehmen gehört es zum guten Ton, sich ausgebrannt zu fühlen. (Foto: Foto: iStockphoto)

SZ: Woran erkenne ich eigentlich, ob ich einen Burnout habe oder lediglich überarbeitet bin und dringend Urlaub brauche?

Burisch: Wenn Sie den Endzustand erreicht haben, sind Sie gar nicht mehr arbeitsfähig. Der Begriff Burnout bezeichnet ja beides, den Prozess des Ausbrennens und das Ausgebranntsein. Allerdings erkennt man erst im Nachhinein, wann alles angefangen hat. Das ist wie bei einer Grippe: Irgendwann niest man mal, aber man kann nicht mit Sicherheit sagen, ob es schlimmer wird.

SZ: Gibt es keine Frühwarnzeichen?

Burisch: Doch, aber auch die können wieder verschwinden. Typischerweise kündigt sich Burnout dadurch an, dass man nicht mehr abschalten kann. Die Reizbarkeit steigt, und die Emotionskontrolle versagt. Kleinigkeiten können einem den ganzen Tag versauen.

SZ: Ausbrennen kann nur, wer vorher gebrannt hat? Stimmt der Satz?

Burisch: Das ist eine Legende, die sich hartnäckig hält. Ausbrennen kann jeder. Entscheidend ist meist eine Frustration, die den Prozess auslöst, etwa eine ausgebliebene Beförderung. Der Betroffene hat das Gefühl, dass er in einer Falle sitzt, aus der es keinen Ausweg gibt.

SZ: Wann wird Burnout im Unternehmen zum belastenden Thema?

Burisch: Zum Beispiel wenn es jemanden ganz oben erwischt. Oder wenn Stellenabbau droht und die Mitarbeiter sich bedroht fühlen. Oder wenn Vorgesetzte nicht führen. Oft ist es ja so, dass Spezialisten, die in ihrem Aufgabenfeld besonders gut sind, Führungsaufgaben erhalten, denen sie eigentlich nicht gewachsen sind. Dann geraten sie in Gefahr auszubrennen. Auch in besonders steifen, beamtenmäßigen Unternehmenskulturen, in denen es wenig Entfaltungsspielraum für den Einzelnen gibt, ist die Gefahr von Burnout höher. Da sieht man viele innere Kündigungen.

SZ: Was bedeutet der Burnout eines Angestellten für ein Unternehmen - über die Kosten hinaus?

Burisch: Burnout ist oft ansteckend. Die schlechte Laune überträgt sich auf andere, die Umwelt leidet. Wenn einer fehlt, müssen die anderen mehr arbeiten, auch das belastet die Kollegen. In bestimmten Bereichen, zum Beispiel in der Schule oder der Krankenpflege, kann es zum guten Ton gehören, sich ausgebrannt zu fühlen. Ich kann das gut verstehen. Aber es ist eben gefährlich für die Unternehmenskultur.

SZ: Was können Unternehmen tun, um vorzubeugen?

Burisch: Generell ist Burnout ein Führungsproblem, das die obersten Etagen ernst nehmen müssen. Eine gute Führungskraft gibt dem Mitarbeiter das Gefühl, dass er wichtig ist, gibt ihm Feedback und hält regelmäßigen Kontakt. Führungskräfte müssen es als wichtige Aufgabe ansehen, ihre Mitarbeiter gesund zu halten. Dabei müssen sie natürlich auch sich selbst im Blick behalten.

SZ: Was kann der Einzelne tun, wenn ihn die Burnout-Krise erwischt?

Burisch: Zunächst muss er versuchen, seine Lage zu analysieren. Nur eine Pause machen, reicht meist nicht. Viel besser ist professionelle Beratung durch einen Coach. Wenn die Probleme tiefgreifender sind, rate ich heute eher als früher, drei Wochen in eine psychosomatische Klinik zu gehen.

Interview: Stefan Siegfried

© SZ vom 7.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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