Immer mehr Menschen dopen sich im Job
Sie nennen sich Methylphenidat, Modafinil, Betablocker, Antidementiva und Antidepressiva - und versprechen manch unglücklichem Berufstätigen die Lösung seiner Probleme. Endlich mal gelassen und dabei hellwach die Präsentation überstehen, mit ruhiger Hand das Instrument spielen oder gut gelaunt die dicke Kollegenluft atmen. Alles plötzlich kein Problem mehr, dank der Wunderpillen.
Pharmakologisches Neuro-Enhancement (pNE) nennen die Experten das Phänomen, wenn sich Menschen ohne medizinische Indikation verschreibungspflichtige Arznei selbst verabreichen. In Deutschland haben etwa 6,7 Prozent aller Berufstätigen schon einmal zu Neuro-Enhancern gegriffen. Zu diesem Ergebnis kommt der Gesundheitsreport 2015 der gesetzlichen Krankenkasse DAK.
Ein kleines, aber gefährliches Phänomen
Im Jahr 2009 hatte die DAK zum ersten Mal eine Studie zu dem Thema veröffentlicht. Das Ergebnis der repräsentativen Umfrage lag damals um zwei Prozentpunkte niedriger: Etwa 4,7 Prozent hatten 2008 schon einmal Hirndoping betrieben. Das Thema, das bis dahin noch relativ unbekannt war, wurde in der Folgezeit medial breiter diskutiert.
Sechs Jahre später bezeichnet der Vorstandsvorsitzende der DAK, Herbert Rebscher, die Ergebnisse der aktuellen Studie öffentlichkeitswirksam als "Alarmsignal". Allerdings bleibt Neuro-Enhancement selbst bei einem deutlichen Nutzungsanstieg unter der untersuchten 20- bis 50-jährigen arbeitenden Bevölkerung in Deutschland zahlenmäßig eine Randerscheinung.
Verharmlost werden sollte das Thema dennoch nicht. Denn es bedeutet: Es gibt in Deutschland insgesamt knapp drei Millionen Menschen, die sich schon einmal mit Medikamenten versorgt haben, um sich ihren Arbeitsanforderungen gewachsen zu fühlen. Regelmäßig dopen sich laut der Studie knapp eine Million Berufstätige (1,9 Prozent), um ihre kognitive Leistung zu steigern, ihr psychisches Wohlbefinden zu verbessern oder Ängste und Nervosität abzubauen. Die Dunkelziffer liegt höher: Die Studie geht von bis zu zwölf Prozent Hirndopern unter der arbeitstätigen Bevölkerung aus.
Es geht dabei nicht um Traubenzucker, Kaffee, Guarana oder Baldrian. Alle Mittel, die unter dem Oberbegriff pNE zusammengefasst sind, sind verschreibungspflichtig und nicht in Drogeriemärkten erhältlich. Sie können erhebliche Nebenwirkungen haben: Herzrhythmusstörungen, Schlaflosigkeit, Verdauungsstörungen, Stimmungsschwankungen oder Persönlichkeitsveränderungen.