Standpunkt:"Wir haben das Zertifikat schon so manchem verweigert."

Lesezeit: 1 min

(SZ vom 16.3.2002) Stefan Becker leitet als Geschäftsführer die gemeinnützige Beruf&Familie GmbH.

SZ: Herr Becker, allzu bekannt ist das Audit aus Ihrem Hause noch immer nicht.

Becker: Es existiert ja auch erst seit kurzer Zeit. Die Hertie-Stiftung, unsere Muttergesellschaft, hat das Verfahren zwischen 1995 und 1998 entwickelt. Aber in den knapp drei Jahren, in denen wir aktiv sind, sind wir schnell bekannter geworden - auch durch die Empfehlung der Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft im vergangenen Jahr.

SZ: Sie haben das Verfahren entwickelt, aber in den Betrieben wenden es freie Auditoren gegen Honorar an. Ein neues Konjunkturprogramm für Unternehmensberater?

Becker: Das ist ganz sicher nicht das Ziel dieses Projekts. Wir sind ja gemeinnützig, dürfen also gar keine Gewinne machen. Das Audit wurde ganz im Sinne des Stiftungs-Auftrags konzipiert. Zu dem gehört das Leitbild, die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu fördern. Die Unternehmen konkret zu unterstützen, wenn sie familienfreundliche Konzepte umsetzen, ist allerdings nicht Aufgabe der Beruf und Familie GmbH. Deshalb können sich Berater bei uns zu zugelassenen Auditoren schulen lassen, die das übernehmen. Für uns ist das Zertifikat nur ein Mittel zum Zweck.

SZ: Ist es ein effektives Mittel? Unternehmen formulieren selbst ihre Ziele, und am Schluss müssen sie sie noch nicht einmal zu 100 Prozent erreichen. Das klingt doch wachsweich.

Becker: Uns liegt daran, dass auch solche Unternehmen familienfreundliche Maßnahmen in Angriff nehmen, die bisher noch gar nicht an so etwas gedacht haben. Bei allzu harten Vorgaben wäre das zum Beispiel für Mittelständler gar nicht möglich. Und so weich sind wir nun auch wieder nicht: Wir haben einigen Firmen sogar das Grundzertifikat verweigert, also das erste Gütesiegel, das man schon nach den Workshops bekommen sollte, in denen man seine Ziele erarbeitet.

SZ: Was hatten diese Firmen falsch gemacht?

Becker: Die meisten hatten ihre Ziele zu lasch formuliert. Für ein paar Teilzeit-Arbeitsplätze gibt es kein Zertifikat. Andere schraubten ihre Ziele viel zu hoch. Wer innerhalb von drei Jahren Telearbeitsplätze für alle schaffen will, der programmiert das Scheitern. Solche Unternehmen fordern wir zu einer neuen Runde auf, in der sie realistische Ziele formulieren müssen.

Interview: Manfred Braun

© N/A - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: