Standpunkt:"Manche Firmen gaukeln den Frauen etwas vor."

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Interview: Stephanie Schmidt

(SZ vom 9.2.2002) Wie können Frauen ihre Persönlichkeit besser zur Geltung bringen? Auf dieses Thema hat sich die Psychologin Claudia Enkelmann spezialisiert, Tochter des prominenten Motivationstrainers Nikolaus B. Enkelmann und Verfasserin von Karriere-Ratgebern für Frauen ("Die Venus-Strategie"). Die SZ sprach mit ihr über die spezifischen Probleme von Frauen im "War for Talent".

SZ: Frau Enkelmann, offenbar wollen viele Unternehmen künftig mehr Frauen als Führungskräfte einstellen als bisher. Was erwarten sie sich denn davon?

Enkelmann: Zum einen ist es natürlich eine Möglichkeit für Unternehmen, für sich selbst zu werben, indem sie sagen können: "Wir betreiben Frauenförderung". Viele Firmen lassen es sich einiges kosten, Frauen anzuwerben. Das tun sie jedoch auch aus einem handfesten Grund: Es gibt immer mehr sehr gut ausgebildete Frauen, die oft kompetenter, fleißiger und intelligenter als viele Männer sind. Keine Firma kann es sich mehr leisten, auf dieses Potenzial zu verzichten. Viele überlegen daher angestrengt: "Wie fange ich diese Mäuschen ein?"

SZ: Mäuschen? Das klingt ja nicht gerade so, wie sich moderne Frauen gerne selbst sehen.

Enkelmann: Hören wollen sie das nicht, aber viele benehmen sich im Grunde immer noch so. Wenn es darauf ankommt, sind sie fürchterlich bescheiden und machen sich oft viel zu klein. Sich gut zu verkaufen, ist bisher Männersache. In meinen Seminaren werden selbst gestandene Frauen immer noch rot, wenn sie über ihre Erfolge reden sollen.

SZ: Gibt es denn in der Arbeitswelt tatsächlich so gravierende Unterschiede zwischen beiden Geschlechtern?

Enkelmann: Es gibt unzählige. Die moderne Hirnforschung verdeutlicht diese Unterschiede. Frauen denken vernetzter. Sie schaffen es besser, mehrere Dinge auf einmal zu bewältigen, sie sind multitasking-fähig. Männer dagegen können sich besser auf eine einzige Sache konzentrieren. Dabei sind sie in der Lage, alles andere auszublenden. Überwiegend ist die Geschäftswelt heute noch immer von männlichem Denken geprägt. Und das wird in den nächsten Jahrzehnten auch so bleiben.

SZ: Was halten Sie von den vielen Rekrutierungs-Veranstaltungen für Frauen?

Enkelmann: Einerseits finde ich es gut, dass Unternehmen Frauen Mut machen, andererseits habe ich mit entsprechenden Events ein Problem. Viele Firmen gaukeln den Frauen bei solchen Veranstaltungen etwas vor. Sie werben mit flexiblen Arbeitszeiten und versprechen Unterstützung, wenn es darum geht, eine Familie zu gründen. Doch in der Realität sieht es oft ganz anders aus.

SZ: Stellt die Suche nach weiblichen Talenten ein Problem für männliche High Potentials dar?

Enkelmann: Nein, denn jeder hat seine Chance. Um auch in Zukunft die Probleme, vor die jedes Unternehmen gestellt wird, erfolgreich zu lösen, brauchen wir sowohl weibliche als auch männliche Lösungskompetenzen. Nur gemeinsam werden wir optimale Lösungen entwickeln.

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