Standpunkt:"Inzwischen sind viele Studenten sehr verunsichert."

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Interview: Manfred Braun

(SZ vom 2.2.2002) Mit Studenten und ihren Job-Chancen kennt sich Hans-Thilo Sommer von Berufs wegen gut aus: Als geschäftsführender Gesellschafter des Klaus-Resch-Verlags, der Leitfäden für den Berufseinstieg herausgibt, besucht Sommer zahlreiche Recruiting-Veranstaltungen für Hochschulabsolventen. Die SZ sprach mit ihm über den Einfluss der gegenwärtigen Wirtschaftslage.

SZ: Herr Sommer, haben sich Ihren Erfahrungen nach die Vorstellungen der Uni-Abgänger von ihrem ersten Job geändert?

Sommer: Ja, ganz erheblich. Vor ein oder zwei Jahren erwarteten Studenten allgemein, dass der Einstieg sehr leicht gehen würde. Heute ist die Verunsicherung groß. Auch in den zuvor sehr gefragten technischen und wirtschaftlichen Fächern zweifeln inzwischen viele. Gelegentlich hört man schon wieder die bange Frage: Kriege ich überhaupt einen Job?

SZ: Ist dieser Kleinmut gerechtfertigt?

Sommer:Zum Teil schon. Aber vieles wird auch durch die Medien-Berichterstattung überzeichnet. So schlecht ist der Arbeitsmarkt gegenwärtig nun wieder nicht. Aber man liest und hört viel von der Krise, und das beeinflusst die Studenten. Ebenso wie bis vor kurzem die überzogene Berichterstattung über den wirtschaftlichen Boom.

SZ: Eine gewisse reale Grundlage werden die Berichte doch sicher haben.

Sommer:Natürlich. Es hat sich eben alles ein wenig entzerrt. Eine Zeit lang sagten die Personalverantwortlichen: Wir brauchen unbedingt Leute, wir nehmen fast alles. Jetzt werden die Studenten auf den Recruiting-Messen wieder erst einmal gefragt: Was können Sie denn eigentlich?

SZ: Sind das denn tatsächlich dieselben Personalverantwortlichen wie vorher?

Sommer:Nein, häufig handelt es sich um ganz andere Leute. Viele Firmen sind ja inzwischen bereits von der Bildfläche verschwunden. Vor allem Unternehmen der New Economy haben gerne etwas verbreitet, was ich als "Camel Trophy Feeling" bezeichne. Nämlich den Eindruck: Bei uns macht alles Spaß, die Wege sind kurz, die Hierarchien flach, alles ist easy. Heute gibt es solche Firmen kaum mehr. Die Bewerber haben wieder mehr mit den klassischen Konzernen zu tun - und sie interessieren sich auch selbst mehr für solche Old-Economy-Arbeitgeber. Aber die großen Unternehmen hegen natürlich wesentlich konservativere Erwartungen. Da sind Studenten oft verunsichert und fragen mich: Wie soll ich bei denen auftreten?

SZ: Und was empfehlen Sie ihnen?

Sommer:Möglichst viele Praktika machen - lieber länger studieren, dafür vorab schon Berufserfahrung sammeln. Und in Lebensläufen und Vorstellungsgesprächen unbedingt auch Qualifikationen außerhalb der Uni-Laufbahn erwähnen. Ob nun einer als Kellner gearbeitet hat oder an einer Tankstelle: Solche Erfahrungen sind wichtig, sie können auf Organisationstalent oder soziale Kompetenz hinweisen. Das interessiert viele Arbeitgeber.

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