Sprachförderung:Deutschkurse ohne Nutzen

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Kanzlerin Merkel will die Sprachförderung von ausländischen Schülern voranbringen. Doch vielen Kindern hilft die derzeitige Form des Unterrichts nicht.

Felix Berth

Manche Vorschläge sind so überzeugend, dass niemand sie in Frage stellt. Zum Beispiel den Plan, ausländischen Kindern bereits im Kindergarten besseres Deutsch beizubringen: Das soll verhindern, dass sie schon mit Defiziten in die Grundschule starten und kaum Chancen auf eine passable Schulkarriere haben.

Problemkinder brauchen mehr Gelegenheiten zum Sprechen - viele Spezialkurse helfen nicht. (Foto: Foto: ddp)

Deshalb kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf dem "Bildungsgipfel" im Oktober 2008 an, dass "die Sprachförderung vorangebracht wird"; der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich nickte und ergänzte, "dass bei der Sprachförderung die Länder in die Verantwortung gehen". Baden-Württemberg zum Beispiel plant nun Kurse für alle Kinder mit Sprachdefiziten.

Problematisch ist, dass diese Sprachkurse offenbar wirkungslos sind. Das jedenfalls zeigt die erste umfassende Analyse, die im Auftrag der baden-württembergischen Landesstiftung entstand. Demnach ist es völlig egal, ob ein Kind an den Kursen teilnimmt oder nicht: "Die Sprachförderung ist einer Förderung, wie sie im üblichen Kindergartenalltag erfolgt, nicht überlegen", lautet die Bilanz der Professoren Jeanette Roos und Hermann Schöler von der Pädagogischen Hochschule Heidelberg.

Kinder aus Spezialkursen nicht besser

Das Forscherteam der beiden Entwicklungspsychologen hat knapp fünfhundert Kinder mehrere Jahre lang beobachtet. Ein Teil hatte im Kindergarten spezielle Sprachkurse erhalten; andere bekamen diese Förderung nicht, obwohl sie schlecht Deutsch sprachen; eine dritte Gruppe konnte passabel Deutsch.

Das Ergebnis: Die Kinder aus den Spezialkursen waren danach nicht besser als jene, die trotz Sprachdefiziten nur im regulären Kindergarten waren. Und: Kinder mit Sprachproblemen konnten den Vorsprung der guten Schüler nicht aufholen. Selbst am Ende der ersten und zweiten Klasse hatte sich an all dem nichts geändert, stellten die Psychologen fest.

Die Wirkungslosigkeit der Kurse hat mehrere Gründe. "Manche Erzieherin wurde bei der kurzen Vorbereitung zum ersten Mal auf analytische Weise mit Grammatik konfrontiert", sagt Jeanette Roos. Andere Trainerinnen, die an der Universität "Deutsch als Fremdsprache" studierten, hatten keine Ahnung vom Umgang mit kleinen Kindern.

Häufig entstand in den wenigen Stunden dann eine Art Schulunterricht, von dem Fünfjährige aber nicht profitieren: "In dem Alter müssen Kinder zum Reden gebracht werden und wahrnehmen, wie Sprache korrekt verwendet wird", sagt Roos. Manche seien in den Kursen so wenig zum Sprechen gekommen, "dass sie wahrscheinlich besser eine Stunde gespielt hätten".

Wichtiger als Sprachkurse wäre, dass Problemkinder mehr Gelegenheiten zum Sprechen bekommen und im "Sprachbad" erleben, wie das Deutsche funktioniert. Doch dafür bräuchte es erstens mehr und zweitens akademisch ausgebildetes Personal - was erheblich teurer als die simplen Kurse wäre.

Die Landesstiftung Baden-Württemberg erhielt kürzlich trotz der hauseigenen Forschungsergebnisse den Auftrag, die Kurse auf ganz Baden-Württemberg auszuweiten. Das beschloss der Aufsichtsrat der Stiftung, den der baden-württembergische Ministerpräsident Günter Oettinger leitet. Er kann mit Beifall rechnen.

© SZ vom 19.01.2009/akh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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