Sommeruni:Performance am Rednerpult

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In Rhetorik-Seminaren üben Nachwuchsforscher, was sie bei ihrer weiteren Karriere dringend brauchen.

Hans Christof Wagner

Kerstin Isermann wankt zurück an ihren Platz. "Ganz furchtbar" stöhnt sie, "ich habe Tausend Mal mein Skript umgeschmissen, am Schluss habe ich nicht mehr durchgeblickt", sagt die junge Biologin am Hamburger Tropeninstitut.

Der Juso-Vorsitzende Björn Böhning bei einer kämpferischen Rede vor seiner Wahl. (Foto: Foto: AP)

Das sei gar nicht aufgefallen, findet Rhetoriktrainerin Astrid Schnellhardt. Und auch die anderen acht Teilnehmer am Seminar "Rhetorik des wissenschaftlichen Vortrags" kürzlich in Berlin empfanden die Ausführungen über einen Millimeter langen Parasiten als souverän, lebendig und verständlich. Dabei wäre die Kollegin fast in Ohnmacht gefallen, die Karteikarten zitterten in ihren Händen.

Nicht alle sind während ihres fünfminütigen Vortrages so nervös. Oder sie überspielen die Unsicherheit besser. Doch im Grunde versuchen alle, das Thema verständlich zu machen, souverän und locker zu wirken und nicht zuletzt das Gelernte anzuwenden.

War ein "attention getter" drin - Gags, Anekdoten und Bonmots? Haben sie genügend Power-Point-Folien gezeigt? Gab es einen "roten Faden". Diese und weitere Elemente eines guten Vortrags haben sie gelernt. Jetzt, gegen Ende des Kurses, steht die Probe aufs Exempel an.

Die neun, zum größten Teil wissenschaftlichen Mitarbeiter auf Promotionsstellen, opfern zwei Tage und 120 Euro Kursgebühr, um bei Vorträgen auf Tagungen und Konferenzen oder vor einer Berufskommission künftig eine bessere "Performance" abzugeben, wie es einer von ihnen ausdrückt.

"Du hast eine gepresste Halsstimme"

Sie sind hier, weil sie Herzklopfen, weiche Knie und Bauchgrimmen in den Griff bekommen wollen. Sie erwarten schonungslose Kritik ("Du hast eine gepresste Halsstimme"), weil sie die an ihren Instituten vermissen.

"Vor allem beim wissenschaftlichen Nachwuchs kommt die Ausbildung in Rhetorik und Präsentation viel zu kurz", kritisiert Georg Schumacher, Leiter des Referats Weiterbildung der Freien Universität (FU) Berlin. Das Referat hat die jährliche "Sommeruniversität" an der FU zum vierten Mal organisiert.

Das Selbstbewusstsein stärken, Ängste und Zweifel ausräumen und das aufgreifen, was im akademischen Alltag sonst unter den Tisch fällt - das ist ihr Anliegen. Zahlreiche Anmeldungen junger Akademiker geben Schuhmacher recht. Auch an anderen Hochschulen müht man sich inzwischen, den Nachwuchs rhetorisch zu schulen und damit besser auf den Job vorzubereiten.

Exkurs ins antike Griechenland

Astrid Schnellhardt nimmt die Teilnehmer mit in die Anfänge der Rhetorik im alten Griechenland. Logos, Ethos und Pathos heißen die drei Säulen der Beredsamkeit, sie umschreiben die Sach- und Selbstdarstellung sowie den Umgang mit den Emotionen der Zuhörer.

Sie reißt die vier Planungsschritte Aristoteles' an, nach denen jeder Vortrag ein Ziel und eine Kernaussage haben und auf die notwendigen Informationen beschränkt bleiben sollte. Frei sprechen, kurze und prägnante Sätze formulieren, sie gut intonieren, sich dem Publikum zuwenden - voilà der Crashkurs in Redekunst.

Doch schnell wird klar: Vieles lässt sich bewusst anwenden, professionelles Sprechen aber muss in Fleisch und Blut übergehen. Da ist vor allem die verräterische Körpersprache. Schnellhardt: "Wenn ich ,Guten Tag, meine Damen und Herren, ich freue mich, hier zu sein', ohne eine Lächeln sage, glaubt mir das kein Mensch". "Gewöhnt euch offene Gesten an, bewegt euch während eurer Vorträge, versucht den Raum für euch einzunehmen", spornt sie ihre Leute an.

In Kerstin Isermanns Vortrag ist das alles drin. Während der Vorbereitung hat sie Pappschilder mit Klebestreifen versehen, um sie später ans Flipboard heften zu können. Selbstironie ist ihr "attention getter":"Tropeninstitut - da denken Sie sicher, dass wir den ganzen Tag in Schutzanzügen herumlaufen."

Und auch Schnellhardts Appell, nicht statisch in einer Pose zu verharren, hat sie verinnerlicht. Sie macht jetzt ausladende Armbewegungen und tänzelt zwischen Board und Overheadprojektor umher.

Aber wie nur den Frosch im Hals loswerden? Auch hier ist guter Rat nicht teuer: Hustenbonbon lutschen, dreimal tief durchatmen. Und zum Schluss gibt Trainerin Schnellhardt ihren Rhetorik-Lehrlingen mit auf den Weg, dass Nervosität auch gesund sein kann und wie bei Kerstin Isermann Selbst- und Fremdwahrnehmung nicht unbedingt immer übereinstimmen müssen.

© Süddeutsche Zeitung vom 13.09.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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