Sensibelchen am Arbeitsplatz:Von der Mimose zum coolen Typen

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Im Büro werden Mitarbeiter häufig mit Kritik von Kollegen und Vorgesetzten konfrontiert. Wer da keine dicke Haut hat, fühlt sich schnell unnötig verletzt.

Was den einen kalt lässt, kann den anderen tief verletzen. Nicht immer fällt das gleich auf, oft wird es dennoch zum Problem, nicht zuletzt am Arbeitsplatz. "Manche Menschen sind einfach sehr empfindlich", sagt die Managementtrainerin Irene Becker aus München. Kränkungen sind dennoch kein Schicksal.

Der Inbegriff des coolen Typen: Stromberg. (Foto: Foto: dpa)

"Arbeitnehmer stehen heute oft unter hohem Stress", erläutert Susanne Klein. "Die Anforderungen sind hoch. Die Haut ist bei vielen dünner", so die Führungskräfteberaterin aus Darmstadt. "Manches wirkt dann schneller verletzend als früher." Als kränkend kann vieles empfunden werden: "Wenn der Chef den einen freundlich grüßt und dem anderen nur stumm zunickt zum Beispiel", sagt Anne Katrin Matyssek. "Aber auch, wenn einer immer wieder übergangen wird, während andere die tollsten Projekte übertragen bekommen", zählt die Psychologin aus Düsseldorf auf. Führungskräfte, die Federn lassen mussten, erleben das ihrerseits oft als Kränkung: "Etwa wenn ihnen das Budget gekappt wurde oder sie ihre Hotels jetzt selbst buchen müssen."

Das wird nicht unbedingt an die große Glocke gehängt: "Am Arbeitsplatz gibt es eher die Tendenz, Kränkungen zu kaschieren, schon um nicht als Weichei dazustehen", betont Irene Becker. Dabei ist es normal, auf mangelnde Anerkennung, Kritik oder Spott gekränkt zu reagieren. Nur wer sich ständig verletzt fühlt, hat möglicherweise ein Problem. Ein erster Schritt zum Umgang damit sei, sich bewusst zu machen, dass Verletzungen nicht einfach "von außen kommen", sondern immer auch damit zu tun haben, wie man darauf reagiert, sagt Susanne Klein. "Und man muss erkennen, dass man die Umstände nicht ändern kann, meistens auch nicht Kritik, die an einem geübt wird."

Man kann aber etwas dafür tun, sich davon nicht so getroffen zu fühlen, sagt Klein. "Und das ist auch eine wichtige Fähigkeit, die man trainieren sollte." Zwar könne man diejenigen, die einen kränken, bitten, mehr Rücksicht zu nehmen oder ihre Kritik vorsichtiger zu formulieren. "Aber es ist immer leichter, sich selbst zu ändern als andere." Ein Schritt nach vorn sei daher, sich zu überlegen "Wie kann ich auf Kritik oder Angriffe reagieren? Was sage ich darauf? Kann ich mich humorvoll distanzieren?", rät Susanne Klein. Entscheidend sei, nicht auf dem Standpunkt stehen zu bleiben "Ich bin gut, die anderen sind die Bösen".

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Wer sich eine dickere Haut wünscht, kann also durchaus etwas tun: "Es hat viel mit den eigenen Denkgewohnheiten zu tun, die muss man ändern", sagt Irene Becker. "Es gibt Menschen, die geben immer gleich sich selbst die Schuld, wenn etwas schief läuft." Das kann so weit gehen, dass sie sich verantwortlich für Fehlentwicklungen fühlen, an denen sie gar nicht beteiligt waren. "Manche übertreiben auch einfach nur die möglichen Folgen einer Entscheidung, sehen alles negativ und erwarten die Katastrophe." Oder negative Erfahrungen werden für zwangsläufig gehalten - nach dem Motto "Nächstes Mal geht es wieder schief". Bei manchen Menschen verfestigten sich diese Wahrnehmung zu einer regelrechten Opfermentalität.

"Die Betreffenden sollten sich, wenn sie wieder einmal in einer solchen Situation sind, fragen, ob es realistisch, hilfreich und nützlich ist, so zu denken", rät Irene Becker. Wer beispielsweise schnell Angst vor drastischen Folgen hat, kann lernen, solche Risiken besser einzuschätzen: "Man muss sich einfach die Frage stellen: Wie wahrscheinlich ist das, dass mir gekündigt wird, weil ich einen kleinen Fehler gemacht habe?" Wer sich dann klar macht, dass ihm kaum etwas passieren wird, fühlt sich vermutlich schon etwas besser.

© dpa/Andreas Heimann - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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