Selbstständig machen:Das Scheitern als Chance

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Ich-AGs führen zu einem sprunghaften Anstieg von Existenzgründungen. Doch viele Gründungswillige zögern noch, weil ein Fehlschlag in Deutschland als Makel gilt.

Von Elisabeth Dostert

Die Deutschen lieben Sieger. Nirgendwo zeigt sich das deutlicher als im Sport und in der Wirtschaft. Ob Ferrari-Pilot Michael Schumacher, mehr Unternehmer als Sportler, oder Porsche-Chef Wendelin Wiedeking - die Bewunderung für Sieger ist grenzenlos. Ein zweiter Platz zählt kaum mehr. In einem Land mit mehr als vier Millionen Arbeitslosen und jährlich etwa 40.000 Firmeninsolvenzen gilt Scheitern noch immer als ein schwer auszulöschender Makel. Dabei wohnt jedem Beginn die Möglichkeit des Fehlschlags inne.

Schon vor der Gründung herrscht Angst vor dem sozialen Abstieg im Falle des Scheiterns. (Foto: Foto: dpa)

Das gilt auch für Existenzgründer. Im Jahr 2003 - Zahlen für 2004 liegen aufgrund der schleppenden Datenabgabe einzelner Länder nur für wenige Monate vor - registrierte das Statistische Bundesamt in Wiesbaden bundesweit 810.706 Gewerbeanmeldungen. Der sprunghafte Anstieg gegenüber dem Vorjahr um rund zwölf Prozent ist auf die Einführung der Ich-AGs zurückzuführen. Als Neugründung mit "wirtschaftlicher Bedeutung" gelten davon lediglich 164.885 Betriebe. Sie schufen knapp 440.000 Voll- und 93.000 Teilzeitstellen.

Im gleichen Zeitraum wurden 132.687 Betriebe aufgegeben mit etwa 214.000 Voll- und 34.000 Teilzeitjobs. Die gute Nachricht: Der Saldo ist in allen drei Fällen positiv. Schlüsse auf die Lebensdauer der Firmen lässt die Gewerbestatistik nicht zu, wohl aber die Insolvenzstatistik. Von den 39.320 Firmen, die sich 2003 einem Insolvenzverfahren unterziehen mussten, waren knapp 44 Prozent jünger als acht Jahre.

Rund ein Fünftel der insolventen Gesellschaften wurde noch nicht einmal drei Jahre alt. Das Ende einer Firma, ob sie nun im Extremfall der Insolvenz beim Amtsgericht endet, oder in rechtzeitiger Einsicht schon früher, ist keine Ausnahme, sondern fast schon Alltag.

Dennoch ist Scheitern in Deutschland ein Stigma. Die Missachtung zeigt sich schon darin, dass bislang nur wenige Wissenschaftler Scheitern und Neubeginn analysiert haben und es an originärem statistischem Zahlenmaterial mangelt. Typisch deutsch. "Im angelsächsischen Raum gilt Scheitern nicht als Makel", sagt Frank Wallau, stellvertretender Geschäftsführer des Instituts für Mittelstandsforschung Bonn (IfM Bonn).

In Deutschland ist die Angst vor sozialem Abstieg so groß, dass mancher Gründungswillige die Selbstständigkeit scheut. Schon potenzielle Gründer plagt nach Umfragen der KfW Bankengruppe die Sorge vor dem sozialen Abstieg im Falle eines Fehlschlags. Sie ist nicht unberechtigt. Die Niederlage hat, wie die Fallstudien des IfM Bonn zur Untersuchung "Restart: Eine zweite Chance für gescheiterte Unternehmen" zeigen, nicht nur finanzielle Folgen für Firma und Familie, sondern führt auch zu psychisch-emotionalen Erschütterungen. Befragte fühlten sich während der Krise "vogelfrei der Verfolgung durch Gläubiger ausgesetzt" und sahen sich "jeglicher bürgerlichen Rechte verlustig".

In Medien, Verwaltung, Förderinstituten und im Justiz- und Finanzsektor haftet gestrauchelten Unternehmern ein schlechtes Image an, resümiert das IfM Bonn. Ein Restart, also der erneute Versuch, sich selbstständig zu machen, ist ungeheuer schwierig. Zu Unrecht. Zwar kommen die Autoren des IfM Bonn zu weitaus weniger euphorischen Schlüssen als die Boston Consulting Group. Die Unternehmensberater hatten in einer - nach Einschätzung des IfM mit methodischen Mängeln behafteten - Studie im Jahr 2001 herausgefunden, dass gescheiterte Unternehmen im zweiten Anlauf den Umsatz schneller steigern und mehr Arbeitsplätze schaffen als Firmengründer ohne schlechte Erfahrungen. Aber auch die Ergebnisse des IfM Bonn geben keinen Anlass für eine generelle Missachtung von Restartern, alles andere als eine Randgruppe. Elf bis 18 Prozent der Gründer haben eine frühere selbstständige Tätigkeit infolge einer Existenz bedrohenden Unternehmenskrise aufgeben müssen.

Das Erfolgspotenzial von Restartern sei vergleichbar dem von Erstgründern, fand das IfM Bonn heraus. Wiederholungsgründer, diese Gruppe umfasst sowohl Restarter als auch Gründer mit erfolgreicher Selbstständigkeitserfahrung, weisen höhere Einkommen auf als Erstgründer. "Dennoch ist die Kultur der zweiten Chance in Deutschland wenig ausgeprägt", beklagt Wallau. Auch die Politik, sonst emsig bemüht, die Zahl der Existenzgründer zu erhöhen und damit die Beschäftigungsmisere zu lindern, widmet sich ihnen kaum. Dabei lohnt die zweite Chance. Bei jedem weiteren Versuch lassen die positiven Effekte dann allerdings deutlich nach.

© SZ vom 5.1.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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