Sekretärin:Managerin im Vorzimmer

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Der Chef ist unterwegs, die Sekretärin hält die Stellung: Ein Job zwischen Vorzimmer und Kommandozentrale.

Von Dorothea Heintze

Gesine Horn erinnert sich noch gut an ihr Vorstellungsgespräch bei einer Tochterfirma des Hamburger Otto-Versandhandels. "an suchte ausdrücklich eine Assistentin - und keine klassische Sekretärin" sagt sie. Besonderen Wert legte man auf ihre Qualifikation: zwei Fremdsprachen, Selbstständigkeit, Verantwortungsbewusstsein. Doch dann enttäuschte sie der Alltag im Büro: Briefe verschicken, Kaffee kochen, Terminkalender pflegen. "Eigenständiges Denken war nicht gefragt."Gesine Horn, die in Wirklichkeit einen anderen Namen trägt, versuchte hartnäckig, ihren Verantwortungsbereich auszuweiten. "Immer wieder habe ich mich beim Chef beschwert, doch es nützte nichts. Es war nun mal ein traditionelles Büro."

Aufregender Job oder reine Assistenz-Funktion: Der Vorgesetzte bestimmt den Alltag. (Foto: Foto: photodisc)

Arbeitsplätze wie dieser sind selten geworden. Denn das klassische Sekretariat ist ein Auslaufmodell. Früher nahm die Sekretärin das Diktat auf und sortierte die Post, heute erledigt der Chef viele Aufgaben selbst am Computer. Während die Sekretärin einst als gute Fee im Hintergrund agierte, erstellt sie heute Geschäftsberichte, überwacht Budgets und empfängt internationale Gäste. Die "Managementassistentin" oder der "Office Manager" übernimmt Verantwortung - wenn sie es denn kann und darf. Gesine Horn durfte es nicht. Nach zwei Jahren hat sie schließlich gekündigt.

Die Sache mit dem Kaffee

Auch Monika Jonza hat als junge Stenotypistin in einem klassischen Sekretariat angefangen. Ihre Arbeit wurde zwar geschätzt, doch die unselbstständige Tätigkeit befriedigte sie nicht. Heute arbeitet die 44-Jährige in ihrem "Traumjob", wie sie sagt. Sie leitet das Büro der Münchener Business-Trainerin Sabine Asgodom und organisiert den Tagesablauf einer viel reisenden Managerin und Autorin. Entscheidend sei der Teamgeist bei der Arbeit, meint Jonza. Genau dies, so weiß sie aus Erzählungen vieler Kolleginnen, gebe den Ausschlag für eine erfolgreiche Tätigkeit in der zweiten Reihe.

Spielt dabei das Geschlecht des Chefs eine Rolle? Monika Jonza glaubt nicht, dass eine Frau automatisch die angenehmere Vorgesetzte ist. Viel wichtiger sei es, dass die Chemie zwischen Chef und Sekretärin stimme. Dann sei es beispielsweise auch kein Problem, mal einen Zahnarzttermin zu buchen oder das Kleid aus der Reinigung zu holen. Ob Mann oder Frau - das sei zweitrangig.

Davon ist auch Monika Gunkel überzeugt. "Was eine Assistentin privat für ihren Chef oder die Chefin macht und ob das okay ist, das lässt sich nur im Einzelfall entscheiden", sagt die 53-Jährige, die seit 24 Jahren im Sekretariat arbeitet. Als Vorsitzende des Bundesverbandes Sekretariat und Büromanagement (BSB) verneint Monika Gunkel die Frage nach einem festen Regelwerk. "Am besten ist natürlich eine klare Abgrenzung zwischen Geschäfts- und Privatangelegenheiten." Andererseits warnt sie vor zu viel künstlicher Distanz: "Wir wissen durch unsere Mitglieder-Befragungen, dass es vor allem junge Frauen als Zumutung empfinden, ihrem Chef einen Kaffee zu kochen." Sie selbst hat dazu eine entspannte Haltung entwickelt: "Wenn jemand zu mir nach Hause kommt, serviere ich ihm etwas. Und so mache ich das auch mit den Gästen meines Chefs."

Männer sind in deutschen Sekretariaten noch immer die Ausnahme. Thorsten März gehört zu ihnen. Er arbeitet als Sekretär von Professor Norbert Walter, dem Chefökonomen der Deutschen Bank in Frankfurt. "Ich habe den aufregendsten Arbeitsplatz, den man sich denken kann", sagt der 32-Jährige. Eigentlich wollte er Bäcker werden, entschied sich dann doch noch anders. "Zum Glück", sagt Thorsten März. Er absolvierte eine Ausbildung zum Fremdsprachensekretär und studiert heute neben seinem Job auch noch Volkswirtschaftslehre. "Meine Arbeit ist sehr anspruchsvoll. Ich will verstehen, was ich tue."

Auch bei März fällt immer wieder das Wort "Team", wenn er das Verhältnis zu seinem Chef beschreiben soll. Und genauso wie Monika Jonza hat auch er keine Probleme damit, Privatangelegenheiten seines Chefs zu regeln. "Es liegt ganz allein bei mir, was ich da mache und was nicht. Es vermischt sich halt alles, aber genau das finde ich gut."

Mit dem Exotenstatus als Mann in einem Frauenberuf kommt Thorsten März gut zurecht. "Natürlich gucken erst mal alle komisch, aber dann gewöhnen sie sich daran." Ganz andere Erfahrungen habe er im Ausland gemacht. "Dort gibt es öfter Männer in meiner Position - und ich habe das Gefühl, es werden immer mehr."

Verlässliche statistische Angaben zum Mann-Frau-Verhältnis in deutschen Büros existieren nicht. Ebenso wenig gibt es exakte Zahlen, wie viele Menschen überhaupt im Sekretariat oder arbeiten. Die Tätigkeiten seien viel zu branchen- und funktionsübergreifend, meint Maria Akhavan, Chefredakteurin von Working Office, einer Fachzeitschrift für das Sekretariat. Zwischen oben und unten gebe es daher große Unterschiede.

Stattliche Gehälter

Zum Beispiel beim Gehalt: Gute Chefsekretärinnen verdienen heute im Durchschnitt 47.000 Euro jährlich. Nach einer Vergütungsstudie der Managementberatung Kienbaum bestehen allerdings je nach Alter erhebliche Unterschiede. Zwischen 25 und 29 Jahren kommen Chefsekretärinnen im Schnitt auf 39.500 Euro, ab 55 Jahren auf 51.900 Euro. Im Einzelfall liegt das Gehalt bis zu 50 Prozent darüber.

Eine große Spanne besteht auch zwischen Ost und West: In München verdienen Chefsekretärinnen rund 51.500 Euro, in Dresden lediglich 37.500 Euro. Einfache Schreibkräfte müssen sich im Schnitt mit 30.000 Euro zufrieden geben. Und gerade ihre Stellen werden derzeit häufig eingespart. Für Maria Akhavan von Working Office lauten die Schlüsselworte daher: Fortbildung und Qualifikation. Nur wer Besonderes leisten kann und will, betont sie, habe auf dem engen Arbeitsmarkt noch Chancen.

Auch Monika Gunkel vom BSB sieht die Aufgaben ihres Verbands in erster Linie in der Aus- und Fortbildung. So wie die Erwartungen an die Führungskräfte steigen, so wachsen auch die Ansprüche an die Damen und Herren im Back Office. "Die Vorgesetzten von heute sind ja kaum noch an ihrem Arbeitsplatz, sondern ständig in Meetings oder auf Reisen unterwegs", sagt Monika Gunkel. "Damit ändert sich auch das Berufsbild der Sekretärin - weg von der Schreibkraft und hin zum Management." Und genau darin sieht sie eine große Chance für den Berufsstand.

© SZ vom 25.2.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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