Schulpolitik:Für Bildung nur Notgroschen

Lesezeit: 2 min

Die Bankenkrise, aber auch der Widerstand der Bundesländer gehen zu Lasten der Schulen und Unis.

Tanjev Schultz

Angela Merkels Bildungsgipfel kommt zu spät. Die Krise der Finanzmärkte kostet die Bundesregierung alle Kraft, und nach dem milliardenschweren Rettungspaket für die Banken ist zu befürchten, dass die Schulen und Hochschulen wieder nur mit ein paar Notgroschen abgespeist werden. Nächste Woche will die Kanzlerin in Dresden mit den Ministerpräsidenten eine nationale Bildungsstrategie vereinbaren. "Aufstieg durch Bildung" soll sie heißen. Aber wird die Luft der Politiker reichen für einen echten Gipfel? Bisher sieht es so aus, als würden sie, unter Ächzen, allenfalls einen Dresdner Bildungshügel bezwingen.

Unterricht an einer Grundschule: Kinder brauchen zusätzliche Sprachlehrer, Lerntherapeuten und Sozialarbeiter. (Foto: Foto: dpa)

Die Behäbigkeit, mit der es bildungspolitisch vorangeht, hat aber nicht nur damit zu tun, dass das Geld so knapp ist. Es liegt auch daran, dass Bund und Länder nicht gut zusammenspielen. Die Länderchefs bremsen den Elan der Kanzlerin, die plötzlich ein Thema an sich zieht, das ihr noch vor ein paar Monaten nicht wichtig genug war, um dem Bund mehr Einfluss in der Bildungspolitik zu verschaffen. Dazu hatte es eine gute Gelegenheit gegeben: bei der ersten Stufe der Föderalismusreform vor zwei Jahren. Damals überließ Merkel die Schulpolitik vollständig den Ländern, obwohl dies der richtige Zeitpunkt gewesen wäre, eine stabile gemeinsame Verantwortung festzuschreiben. Nun ist es zu spät.

Gemeinsamer Wille

Jetzt muss sich die Gipfelstürmerin mit widerspenstigen Wanderern herumschlagen. Die Ministerpräsidenten, zumal die der Union, zeigen wenig Interesse, auf dem Gipfel verbindliche Ziele zu setzen, die über vage Versprechen hinausgehen. Das aber wäre nötig: In Dresden müsste konkret benannt werden, bis wann, wie und mit welchem Geld die gröbsten Mängel im Bildungssystem behoben werden sollen. Jedes Jahr verlassen mehr als 70.000 Jugendliche die Schule ohne Abschluss, für jeden fünften 15-Jährigen sind simple Rechen- und Leseaufgaben schon zu schwer. Die Schulen, an denen es besonders viele Probleme gibt, wären leicht zu identifizieren. Auf sie muss sich die Hilfe konzentrieren, sie brauchen zusätzliche Sprachlehrer, Lerntherapeuten und Sozialarbeiter. Dafür könnten Bund und Länder gemeinsam aufkommen, wenn es einen gemeinsamen Willen gäbe. Unabhängige Experten müssten das Programm begleiten und den Fortschritt überwachen.

Auch die Hochschulen warten auf ein verlässliches Zeichen, dass sie mit dem bevorstehenden (und von der Politik ja auch gewollten) Studentenansturm nicht alleingelassen werden. Die Fachminister haben vor kurzem eine Empfehlung des Wissenschaftsrats mitgetragen, wonach eine Milliarde Euro im Jahr zusätzlich nötig ist, um die Lehre an den Unis und die Betreuung der Studenten zu verbessern. Bisher gibt es dazu aber in keinem der vorbereitenden Gipfel-Papiere eine klare Aussage. Bei der Finanzmarkt-Krise zeigt die Politik, dass sie notfalls sehr schnell reagieren und viel Geld bereitstellen kann. Warum nicht auch bei der Abwendung einer Bildungskatastrophe?

© SZ vom 16.10.2008/bön - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: