Schule:Nie mehr sitzen bleiben

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"Relikt aus der pädagogischen Mottenkiste" statt Leistungsanreiz? Einige Bundesländer wollen das Sitzenbleiben abschaffen.

Mehr als 250.000 Jugendliche hat es im vergangenen Schuljahr getroffen: Sie mussten die Klasse wiederholen. Im internationalen Vergleich liegt Deutschland damit weit vorn.

"Das Ziel der Versetzung ist ein Leistungsanreiz": Schon Grundschüler bleiben sitzen - am häufigsten im Saarland. (Foto: Foto: dpa)

Je nach Bundesland beenden bis zu 45 Prozent der Schüler ihre Schullaufbahn mit zeitlicher Verzögerung. Das liegt zum einen an Späteinschulungen, aber "der weitaus größte Teil dieses Zeitverlustes ist auf Klassenwiederholungen zurückzuführen", heißt es im nationalen Bildungsbericht.

Die meisten Kinder bleiben dem Bericht zufolge in Bayern und Sachsen-Anhalt in sitzen. In Baden-Württemberg und Niedersachsen sind die Wiederholerquoten deutschlandweit am niedrigsten. Auch wann Schüler eine Klasse wiederholen, unterscheidet sich von Bundesland zu Bundesland. Während es etwa in Bayern häufig Grundschüler trifft, müssen in Berlin und Bremen vor allem Fünft- bis Zehnt-Klässler eine zweite Runde drehen.

Für die Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Ute Erdsiek-Rave, ist das Wiederholen einer Klasse ein "Relikt aus der pädagogischen Mottenkiste". Es vergeude Lebenszeit und bringe statt Hilfe oft nur weitere Demotivation mit sich.

Einige Bundesländer wollen nun die Wiederholerquote reduzieren. In Sachsen-Anhalt sollen 300 zusätzliche Lehrer Förderunterricht anbieten. Außerdem sollen die Schulen entscheiden, ob schlechte Schüler eine Klasse wiederholen müssen oder in ihren schwachen Fächern mit Extra-Unterricht gefördert werden. Auch Rheinland-Pfalz will stärker auf individuelle Förderung setzen. Nordrhein-Westfalen und Bayern haben ebenfalls angekündigt die Zahl der Sitzenbleiber zu senken. Und Berlins Bildungssenator Klaus Böger hat sich dafür ausgesprochen, "das Sitzenbleiben ­ so weit es irgendwie geht überflüssig zu machen."

Von der harten Seite zeigt sich dagegen Hessens Kultusministerin Karin Wolff: "Ein automatisches Versetzen unabhängig von der schulischen Leistung kommt für uns nicht in Betracht. Das Ziel der Versetzung ist ein Leistungsanreiz". Eine Ehrenrunde muss ihrer Ansicht nach einer Karriere nicht schaden.

Im nationalen Bildungsbericht heißt es jedoch, dass es vielen Kindern nicht hilft, die Klasse zu wiederholen. Die zurückgestellten Schüler würden auch in der neuen Klasse häufig im Hintertreffen bleiben. Besser sei es, die Schüler individuell zu fördern.

© sueddeutsche.de/dpa - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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