Schule:Der vorbildliche Hochstapler

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Lehrer ohne Abitur: Ein 39-jähriger Betrüger hat zwei Jahre lang an einer Realschule unterrichtet. Aufgeflogen ist er nur, weil seine Frau sich an ihm rächen wollte.

Martina Farmbauer

Frank T. war ein vorbildlicher Lehrer, einer wie ihn sich nicht nur das Kultusministerium wünscht. Er zeigte seinen Kollegen, wie man mit Computer und Internet umgeht. Die Schüler mochten ihn, und den Stoff konnte der 39-Jährige auch noch gut vermitteln - sehr gut sogar: Die sechste Klasse, die er an der Jacob-Ellroth-Realschule in Gefrees unterrichtet hatte, belegte bei einem bayernweiten Vergleichstest den ersten Platz in Oberfranken.

Da war Frank T. allerdings schon verschwunden. Denn nach zweieinhalb Jahren stellte sich heraus: Der Muster-Kollege war gar kein Lehrer. Er hatte nicht einmal Abitur, alle seine Zeugnisse waren offensichtlich gefälscht. Die Staatsanwaltschaft Bayreuth ermittelt wegen Betrugs und Urkundenfälschung. Ihm drohen bis zu fünf Jahren Haft.

Einem Sportlehrer sei als erstem aufgefallen, dass etwas nicht stimmt, sagt Peter Hottaß, Leiter der Jacob-Ellroth-Realschule. Frank T. kannte die Handball-Regeln nicht. Sein Kollege habe nur gedacht: "Die haben aber eine komische Ausbildung in Hessen."

Bei seiner Vorstellung im Frühjahr 2003 hatte Frank T. angegeben, er habe in Hessen Lehramt studiert. Warum niemand zweifelte, dass er überhaupt eine Ausbildung hatte? Ob er selbst nicht einmal den Unterricht besucht habe? Hottaß zögert. "Er war eben ein geschickter Mann", sagt er dann, halb bewundernd, halb entschuldigend. Frank T. habe behauptet, er habe als Lehrer keine Stelle bekommen und statt dessen ein Fitnessstudio geleitet.

Dementsprechend führte es Hottaß auf fehlende Berufserfahrung zurück, wenn der neue Kollege in Mathe Begriffe nicht wusste oder sie falsch benutzte. "Uns war klar, dass wir ihm helfen müssen, den Unterricht zu gestalten", sagt der Schulleiter. Sein mangelndes Wissen machte der falsche Lehrer durch Einsatz wett: Als alle anderen in den Ferien waren, richtete er den EDV-Raum ein.

Einen wie ihn hatte Schulleiter Hottaß dringend gebraucht. Denn für zwei kranke Lehrer musste dringend Ersatz her. Weil die Jacob-Ellroth-Realschule eine private Schule ist, werden ihr die Lehrer im Gegensatz zu staatlichen Schulen nicht vom Kultusministerium zugewiesen.

Hottaß kann sich seine Leute auf dem freien Markt suchen. Weil Lehrer für Mathe und Informatik jedoch knapp sind, war Hottaß froh, dass er überhaupt einen fand. Und schaute sich aus diesem Grund die Zeugnisse nicht genau an. Jedenfalls sei "nichts Auffälliges dran" gewesen, beteuert er.

Frank T. sollte auch nur bis Ende des Schuljahres bleiben, deshalb habe er die "sonst übliche Sorgfalt nicht so intensiv" walten lassen, räumt Hottaß ein. Seiner Meinung nach ist es ohnehin nicht Sache der Schulleitung, die Zeugnisse der neuen Lehrer zu prüfen, sondern Aufgabe der Anstellungsbehörde - in diesem Fall die Evangelische Schulstiftung in Bayern.

Deren Justitiar Ludwig Hock weist die Schuld ebenfalls von sich: "Wir haben - von Ausnahmen abgesehen -, nicht die Zeit, die Unterlagen zu prüfen." Aus dem Schulministerium heißt es nur, die Zeugnisse hätten zwar eventuell vorgelegen, seien aber nicht als Fälschung erkannt worden. So konnte der falsche Lehrer bis Februar 2005 unterrichten.

Wahrscheinlich wäre er immer noch in Gefrees, wenn nicht seine Ex-Frau der staatlichen Schulaufsicht einen Hinweis gegeben hätte, infolge dessen der Schwindel aufflog. Sie verriet, dass Frank T. weder studiert noch Abitur hatte. "Es gibt dafür auch das Wort Rosenkrieg", sagt Hottaß.

Als die Evangelische Schulstiftung alle Originale der Zeugnisse sehen wollte, konnte Frank T. sie nicht vorlegen. Nach Rückfragen bei Prüfungsämtern und Notaren stand fest, dass es sie gar nicht gab - und seine Zeugnisse gefälscht waren. Er wurde rausgeschmissen. Doch die Noten bleiben: Wenn der Schulleiter unterschreibt und den Stempel drauf setzt, sind sie rechtskräftig.

Schulleiter Hottaß bedauert die Geschichte, aber irgendwie auch den Verlust des so überaus engagierten Kollegen. Frank T. soll jetzt in Florida abgetaucht sein.

© SZ vom 9.2.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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