Schikane im Job:Wirtschaftliche Flaute fördert Mobbing

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Gibt es in der Firma Entlassungen, erhöht sich der Konkurrenzdruck unter den Kollegen. Beim Kampf um den eigenen Arbeitsplatz, ist dann Mobbing eine oft genutzte Methode.

Verbreiten von Gerüchten, Sticheleien oder Bloßstellen vor Kollegen, Mobbing hat viele Gesichter. In Deutschland leiden nach Auskunft der Sozialforschungsstelle in Dortmund rund eine Million Menschen unter Mobbing im Beruf. Besonders betroffen sind dabei Branchen in wirtschaftlich schwieriger Situation. "Wo Arbeitsplätze abgebaut werden, ist der Nährboden wegen des Konkurrenzdrucks unter den Kollegen groß", sagt Martina Stackelbeck von der Sozialforschungsstelle.

Grundsätzlich könne Mobbing jeden treffen: "Mobbing-freie Zonen gibt es nicht". Betroffene sollten sich wehren: "Der Gemobbte sollte den Betriebsrat oder andere Vertrauenspersonen einschalten", rät Stackelbeck. Auch ein Rechtsanwalt könne ein guter Berater sein.

Kampf um den eigenen Arbeitsplatz

Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in Berlin sieht in der konjunkturellen Flaute eine erhöhte Gefahr, gemobbt zu werden: "In schwierigen Zeiten erhöht sich der Konkurrenzdruck unter Kollegen", sagt Martina Perreng, Referatsleiterin Arbeitsrecht beim DGB. Beim Kampf um den Arbeitsplatz werde häufiger zu Mobbing-Methoden gegriffen.

Hilfe vom Chef und Betriebsrat

"Unternehmen dürften eigentlich gar kein Interesse an Mobbing haben, denn das verschlechtert nur das Arbeitsklima und damit die Produktivität", sagt Perreng. Um Mobbing zu verhindern, sollten Vorgesetzte Konfliktintervention betreiben, auf Strömungen im Betrieb achten und gegebenenfalls eingreifen. Auch Betriebsvereinbarungen seien ein gutes Mittel gegen Mobbing. "Das darf sich aber nicht in Programmerklärungen erschöpfen", so Perreng. Stattdessen müssten klare Regelungen etwa in Form eines Beschwerderechts formuliert werden.

Gezieltes Mobbing vom Chef

Die Karriereberaterin Madeleine Leitner aus München hat eine weitere neue Entwicklung beobachtet: Unliebsame oder scheinbar überflüssige Mitarbeiter werden nach ihrer Einschätzung von der Unternehmensführung zum Teil gezielt gemobbt, werden dadurch dauerhaft krank und so aus dem Job getrieben. "Die Firmen zahlen nur noch für sechs Wochen die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, dann greift die Krankenkasse und später das Arbeitsamt ein - Abfindungen werden umgangen", sagt Madeleine Leitner. "Da spiegelt sich die Brutalisierung und Verrohung unserer Gesellschaft wieder", sagt die Psychotherapeutin.

Von "leichten Pieksern", die am Selbstwertgefühl nagen, über ungerechtfertigte Degradierungen bis zu regelrechter Schikane reichten die Mobbing-Varianten, von denen ihre Patienten berichteten. "Betroffene sollten sich sofort gegen die Schikane zur Wehr setzen und nicht untätig die Attacken der Kollegen ertragen", rät sie.

"Dieses gezielte Mobbing gibt es bereits länger", sagt Martina Stackelbeck von der Sozialforschungsstelle Dortmund. Wie hoch der Anteil der Unternehmen ist, die durch gezieltes Schikanieren Mitarbeiter "entsorgen", sei statistisch aber nicht erfasst.

In einer ersten repräsentativen Studie zum Thema Mobbing hat die Forschungsstelle allerdings herausgefunden, dass in mehr als der Hälfte der Mobbing-Fälle Vorgesetzte beteiligt sind. "Sie schikanieren entweder allein oder mit anderen Kollegen zusammen", erklärt Stackelbeck. Ein solches Verhalten sollten sich Vorgesetzte jedoch genau überlegen: "Das Vertrauensverhältnis im Betrieb wird nachhaltig erschüttert".

Dramatische Zunahmen der Krankschreibungen wegen Mobbings haben auch die Krankenkassen nicht registriert. Das Phänomen Mobbing an sich sei allerdings sehr wohl bekannt, sagt Barbara Marnach vom Bundesverband der Allgemeinen Ortskrankenkassen in Bonn. Sie rät, auf die ersten Signale wie schleichende Isolierung im Kollegenkreis zu achten. "Der Betroffene sollte sich nicht in die Opferrolle fügen, sondern sich wehren", lautet auch Marnachs Rat.

(sueddeutsche.de/ dpa)

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