Schauspieler:Zwischen Schein und Sein

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Über das wirkliche (Arbeits)Leben hinter Kamera und Bühne.

Von Nicola Holzapfel

Wir alle kennen sie, schließlich sehen wir sie tagtäglich im Fernsehen und ab und an auf der Bühne: Schauspieler. Doch wie ihr Arbeitsalltag wirklich aussieht, ahnen die wenigsten. Acht Vorurteile und was dahinter steckt.

Bruno Ganz (Foto: Foto: dpa)

Schauspieler sind berühmt Die wenigsten Schauspieler schaffen es ganz nach oben. Und doch prägen die Filmstars, die in den Boulevard-Medien hoch- und runtergejubelt werden, die Wahrnehmung des Berufs. "Viele setzen Schauspieler mit "berühmt" gleich und wissen gar nicht, wie viele "Bühnenarbeiter" es gibt, die im besten Falle in der Stadt, in der sie Theater spielen, bekannt sind", sagt Christian Buse, der in der Serie "Marienhof" mitspielt.

Nach Zahlen des deutschen Bühnenvereins sind 5000 Schauspieler fest an den Theatern engagiert. Dazu kommen etwa 2500 Gastschauspieler, die nur für eine bestimmte Produktion angestellt werden. Insgesamt gibt es nach Schätzungen des Berufsverbandes deutscher Schauspieler (IDS) bis zu 12.000 Mimen in Deutschland. Genau lässt sich das nicht sagen, da der Beruf nicht geschützt ist - jeder kann sich "Schauspieler" nennen.

Schauspieler ist gar kein richtiger Beruf Die meisten Schauspieler, die am Theater und beim Film arbeiten, haben eine Ausbildung. Hochschulen bieten drei- bis vierjährige Studiengänge an, die mit Diplom abgeschlossen werden. An der renommierten Hochschule "Ernst Busch" in Berlin bewerben sich pro Studienjahr rund 1000 Interessenten - 23 werden genommen. Auch an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Stuttgart übertreffen die Bewerbungen für den Studiengang Schauspiel bei weitem die Klassenstärke: Hier konkurrieren mehr als 500 Kandidaten um acht bis zehn Studienplätze.

"Im deutschsprachigen Raum gibt es etwa 20 staatliche Schauspielschulen, die in einem Umfang ausbilden, der den Nachwuchsbedarf voll decken würde", sagt Siegfried Hegel von der Zentrale Bühnen-, Fernsehen- und Filmvermittlung (ZBF) der Bundesagentur für Arbeit in München. Aber es gibt auch noch unzählige private Institute, wo viele ihr Glück suchen. Hegel schätzt, dass so drei Mal mehr Schauspieler ausgebildet werden als der Arbeitsmarkt braucht.

Schauspieler haben ein lockeres Leben Während Angestellte und Manager frühmorgens zur Abend gehen, liegt mancher Schauspieler noch im Bett. Kein Wunder: Am Abend zuvor hat er vielleicht bis kurz vor Mitternacht auf der Bühne gestanden.

"Schauspieler haben einen sehr, sehr strengen Probenplan", sagt Doris Eikhof, die gemeinsam mit Axel Haunschild an der Uni Hamburg eine Studie über die Arbeitswelt Theater gemacht hat. Sie schätzt, dass die Wochenarbeitszeiten von gut beschäftigten Theaterschauspielern im Schnitt denen von leitenden Angestellten entsprechen.

Dazu kommen noch die "Nebenjobs". "Es ist nicht ungewöhnlich, dass Schauspieler tagsüber drehen und abends auf der Bühne stehen", sagt Eikhof.

Aber viele Schauspieler haben gar keine feste Anstellung. Sie hangeln sich von Engagement zu Engagement - am Theater, bei Tourneeunternehmen, beim Film oder bei Synchronstudios. "Viele denken, Schauspieler kriegen eine Rolle nach der anderen. Das ist selbst bei bekannten Namen nicht mehr der Fall", sagt Wolfgang Klein von Schauspielerverband.

"Schauspieler arbeiten immer in Projekten", sagt Doris Eikhof. "Sie haben den Zwang, sich selbst immer beschäftigt zu halten." Läuft das eine Engagement aus, müssen sie schauen, dass sie ein Neues an Land ziehen. Das gelingt ihnen am ehesten, wenn sie sich über ihre Arbeit empfohlen haben. Das müssen Schauspieler bei jedem Job immer wieder von vorne tun, sie müssen sich immerzu beweisen.

Mit Schauspielerei lässt sich viel Geld verdienen Für Schauspieler geht es erst einmal darum, überhaupt Geld zu verdienen. "Der Arbeitsmarkt für Schauspieler ist sehr schlecht", sagt Hegel von der Vermittlungsagentur ZBF. Die Theateretats schrumpfen seit Jahren, so dass dort an Engagements gespart wird. "Der Konkurrenzdruck ist sehr hoch", sagt Hegel.

Werden sie besetzt, fängt für Schauspieler das Verhandeln an. Sie vereinbaren ihre Gagen frei. An Theatern gibt es eine Mindestgage von 1550 Euro monatlich - für einen Vollzeitjob. "Alles was darüber hinausgeht ist verhandelbar", sagt Hegel. "Da die Verhandlungssituation von Schauspielern aufgrund der großen Konkurrenz sehr schlecht ist, bestimmen die Theater die Gage. Es sei denn sie wollen einen bestimmen Schauspieler unbedingt haben. Aber das gilt nur für einen kleinen Prozentsatz."

Das Filmgeschäft ist da schon lohnender. "Beim Fernsehen konnte man früher mit 20 bis 30 Drehtagen durchs Jahr kommen. Schauspieler konnten hier 1000 Euro und mehr pro Tag verdienen", sagt Hegel. Doch die Angebote sind rarer geworden und die Gagen sinken, weil es weniger neue Produktionen gibt. "Die meisten warten und hoffen auf einen Drehtag und bekommen ihn nicht", sagt Hegel.

Christian Buse ist seit sechs Jahren im Ensemble vom "Marienhof". "Der Verdienst schwankt je nach Anzahl der Drehtage. Aber man ist schon recht gut versorgt", sagt Buse. Pro Woche ist er im Schnitt etwa 20 Stunden am Set. Obwohl es für ihn sehr gut läuft, seine Rolle des Thorsten Fechner ist einer ARD-Umfrage zufolge der Publikumsliebling der Sendung, denkt er schon einen Schritt weiter: "Ich kann etwas auf die Seite legen für schlechtere Zeiten."

Schauspieler sind unabhängig Das Gegenteil ist der Fall. Weil sie immer davon abhängig sind, engagiert zu werden, sind sie immer von anderen abhängig: Von dem Agenten, der sie vermittelt, vom Intendanten, der sie engagiert, vom Regisseur, mit dem sie sehr intensiv zusammenarbeiten, vom Publikum, für das sie spielen, von den Kollegen, die sie auf der Bühne nicht hängen lassen dürfen und von ihrem Netzwerk: Schauspieler leben von ihren Kontakten. "Es ist wichtig, die richtigen Beziehungen zu knüpfen, aber auch bei Wettbewerben dabei zu sein und sich über Preise bekannt zu machen", sagt Doris Eikhof von der Uni Hamburg.

Einfach mal so in Urlaub fahren ist für freiberufliche Schauspieler immer ein Risiko: Sie könnten gerade dann ein interessantes Angebot verpassen. "Man muss immer verfügbar sein", sagt Wolfgang Klein vom Schauspielerverband. "Das geht manchmal ganz kurzfristig. Es kann sein, dass man einen Anruf bekommt: 'Kannst du morgen im Studio sein?'".

So schnell kann dann auch ein arbeitsloser Schauspieler wieder zu einem Job kommen - wenn er nicht vom Arbeitsamt daran gehindert wird. Das befürchtet zumindest der Berufsverband IDS: "Die Zumutbarkeitsregel, das Verfahren, das man als Arbeitsloser einen anderen Job oder eine Fortbildung annehmen muss, ist berufsschädigend für Schauspieler. Weil man dadurch unter Umständen ein kurzfristig angebotenes Engagement nicht annehmen kann", sagt Wolfgang Klein. Er befürchtet, dass arbeitslose Schauspieler von der Willkür oder dem Wohlwollen der Berater im Arbeitsamt abhängig sind. Der IDS will sich nun dafür einsetzen, dass es hier "eine dem Berufsbild des Schauspielers entsprechende Verfahrensweise gibt."

Und dann gibt es noch einen ganz unberechenbaren Faktor: "Man braucht auf jeden Fall Glück. Aber die Voraussetzung dafür, dass man die Chance nutzen kann, ist schon, dass man Talent hat und und seine Erfahrungen nutzt", sagt Christian Buse.

Einmal Schauspieler, immer Schauspieler "Theoretisch kann man den Beruf ein Leben lang machen, wenn man sowohl physisch als auch psychisch fit ist", sagt Wolfgang Klein. "Nur müssen einem die Rollen auch angeboten werden". Frauen haben es da schwerer als ihre männlichen Kollegen. Auch weil es auf der Bühne und beim Film mehr Männer- als Frauenrollen gibt. "Wenn Frauen in ihrem besten Alter sind, zwischen 35 und 45 Jahren, dann kommt häufig der Karriereknick", sagt Klein. Viele müssten dann notgedrungen etwas anderes machen.

Auch Hartz IV trifft die Branche hart: Von Januar 2005 besteht der Anspruch auf Arbeitslosengeld nur dann, wenn zuvor innerhalb von zwei Jahren zwölf Monate lang Arbeitslosenversicherung gezahlt wurde. Bislang betrug der Zeitraum drei Jahre. "Das wird die Situation von Schauspielern, die kein festes Engagement haben, verschärfen", sagt Siegfried Hegel von der ZBF. "Ein Gastschauspieler kommt vielleicht auf drei Monate pro Jahr - und dann gibt es kein Arbeitslosengeld." Eingezahlt werden muss trotzdem.

Hegel glaubt, dass die neue Regelung Schauspieler aus dem Beruf in eine andere Tätigkeit drängen wird. "Wir werden amerikanische Verhältnisse bekommen, nach dem Motto: 'Wenn ich nicht spiele, dann fahre ich eben Taxi'".

Für Schauspieler eine gefährliche Situation: Denn wer einmal raus aus der Branche ist, kommt in der Regel nicht mehr rein.

Schauspieler sind Idealisten ... ...die auch von etwas leben müssen. Für Christian Buse etwa kam es vor zehn Jahren gar nicht in Frage, bei einer Serie wie "Marienhof" mitzuspielen. "Ich habe auf die trivialen Serien heruntergeschaut."

Heute sagt er: "Wahrscheinlich träumte ich davon in irgendwelchen tollen Filmen von Wim Wenders zu spielen oder bei Peter Stein auf der Bühne zu stehen. Ich hatte einen sehr hohen Anspruch". Inzwischen hat er erkannt, dass "das gar nicht so mein Ding ist": "Ich finde auch den Unterhaltungswert sehr wichtig. Und glaube, dass man den Leuten auch so etwas vermitteln kann." Zum Ausgleich spielt der 44jährige nebenher Theater an Münchner Bühnen.

Schauspieler sind irgendwie anders Unsichere Beschäftigungssituation, wenig Gehalt, hoher Konkurrenzdruck - warum tut man sich das freiwillig an? "In unseren Gesprächen mit Schauspielern haben wir immer wieder gehört, dass sie Kunst, um der Kunst willen machen", sagt Doris Eikhof. "Sie haben also eine sehr hohe intrinsische Motivation." Auf gut deutsch: Sie arbeiten wegen der Arbeit, und nicht wegen des Geldes.

Und ihrer Arbeit ordnen sie alles unter. "Es ist ein Leben der Selbstverwirklichung, der Lebensstil der Bohème", sagt Eikhof. "Sie geben viel für ihren Beruf auf, richten das ganze Leben danach ein", sagt Eikhof. Sie sind viel unterwegs, müssen mobil und flexibel sein, sich selbst vermarkten, ihr Beruf- und Privatleben verschwimmen.

Und damit geht es ihnen gar nicht so viel anders wie manchen Beschäftigten außerhalb des Theaters auch. "Es gibt Parallelen zu anderen Tätigkeiten", sagt Eikhof. "Auch in anderen kreativen und in wissensintensiven Berufen wollen sich die Beschäftigten in der Arbeit selbst verwirklichen." Das künstlerische Arbeitsethos hat in die Berufswelt jenseits des Theaters Einzug gehalten. "In den 50er, 60er Jahren war Stabilität unheimlich wichtig", sagt Eikhof. "Damals war man eben ein ganzes Leben lang bei Krupp. Heute wollen viele Akademiker keine langfristige Vertragsbindung, sondern flexibel sein."

Doch die neue Freiheit kostet auch. Es ist kein Zufall, dass es in vielen wissensintensiven und kreativen Berufen keine Überstundenregelung gibt. Wenn sich die Beschäftigten über ihre Arbeit selbst verwirklichen wollen, sind die Arbeitgeber in einer angenehmen Position, erklärt Eikhof: "In Bereichen, wo Menschen mit Wertschätzung an ihren Beruf herangehen, können Arbeitgeber die Arbeitsleistung auch zu weniger Geld einkaufen. Weil der Beruf Befriedigung gibt und nicht das Gehalt." Ein Umstand, der den Schauspielern nur zu gut bekannt sein dürfte.

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