Richtig Benehmen:Von Küssen und anderen Fallstricken

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Ein Deutscher im Ausland kann viel falsch machen - von der Begrüßung bis zur Zeichensprache. Worauf Geschäftsreisende achten müssen.

Elke Uhl-Vetter ist Trainerin für Umgangsformen und Business-Etikette. Nicola Holzapfel fragte sie, worauf deutsche Geschäftsreisende im Ausland achten müssen.

"Toleranz gilt nur solange der andere nicht verletzt wird", sagt Elke Uhl-Vetter. (Foto: Foto: privat)

sueddeutsche.de: Was kann ein deutscher Geschäftsreisender im Ausland alles falsch machen? Können Sie Beispiele nennen?

Elke Uhl-Vetter: Ja, jede Menge. Sogar ohne dass jemand etwas sagt, können Missverständnisse auftreten. Wenn Sie zum Beispiel in einem Meeting schweigen, wird das bei uns ja als Überlegen interpretiert. In Frankreich signalisiert das aber Ablehnung. Oder wenn man lächelt. In Deutschland bedeutet das Freundlichkeit, Höflichkeit, Interesse. In Frankreich wird das dagegen als Auslachen verstanden.

Oder nehmen Sie die Zeichensprache: Daumen nach oben bedeutet in Deutschland eine 1, in Großbritannien ist das eine 5. Und das deutsche O.K.-Zeichen steht in Frankreich für Null und wertlos.

sueddeutsche.de: Wie werden denn die Deutschen im Ausland gesehen?

Uhl-Vetter: Das kommt auf das Land an. Auf Franzosen wirken Deutsche nicht gerade kommunikativ. Die wundern sich dafür in französischen Meetings, wo es sehr hitzig zugehen kann.

Aus Sicht der Deutschen sind Franzosen und Italiener zu wenig termintreu. In Italien kann es dauern, bis eine Entscheidung aus dem Meeting in die Tat umgesetzt wird. Und Franzosen können jederzeit Ideen in die Verhandlung einbringen, auch wenn die schon kurz vorm Abschluss steht - egal ob das nun in der Tagesordnung vorgesehen ist oder nicht. Das ist eine ganz andere Vorgehensweise als bei uns. Die deutsche Zuverlässigkeit und das Halten an Tagesordnungen wird in Frankreich, Spanien und Italien eher als zu starr und unflexibel angesehen.

Aus der Sicht von Briten und Spaniern sind Deutsche sehr auf Titel und Etikette bedacht. Während wir für Österreicher sehr leger sind. Es gibt Länder, in denen es viel traditioneller zugeht als bei uns.

sueddeutsche.de: In Österreich haben Titel ja eine größere Bedeutung als in Deutschland.

Uhl-Vetter: Ja, hier heißt es Herr Magister oder Frau Magistra und nicht Herr oder Frau Schmidt. Es gibt Titel für den Beruf, Titel auf Zeit und auf Dauer. Es kann sein, dass sieben bis acht Titel bei einer einzigen Person vorliegen. Da muss man sich auskennen.

sueddeutsche.de: Und welchen nimmt man dann zur Anrede?

Uhl-Vetter: Die höchsten Titel stehen immer ganz nah am Namen. Es ist also umgekehrt wie bei uns, wo der höhere Titel "Professor" vorm Dr. steht.

sueddeutsche.de: Gibt's eigentlich den Handkuss noch?

Uhl-Vetter: In Österreich werden Frauen mit größerem Respekt begrüßt als Männer. Bei manchen hochkarätigen Veranstaltungen kann es sein, dass ein Handkuss angeboten wird, wobei der Kuss auf die Hand nur angedeutet wird.

sueddeutsche.de: Gibt's den Handkuss auch noch in anderen Ländern?

Uhl-Vetter: Ja, in Polen. Hier herrscht die traditionelle Galanterie noch sehr stark.

sueddeutsche.de: Dafür gibt es im Süden Europas Küsschen auf die Wange.

Uhl-Vetter: Ja, zum Beispiel in Italien. Aber nicht beim ersten Geschäftstreffen. Man beginnt übrigens links und darf sich dabei durchaus berühren, was in Frankreich ein Tabu ist. Da gibt es bis zu sieben Wangenküsse, aber nie mit Berührung.

sueddeutsche.de: Kriegen nur Frauen die Küsse?

Uhl-Vetter: Ja, meistens die Dame. Aber auch die Männer, wenn sie sich gut kennen, zum Beispiel in Russland. In Spanien ist für die Herren auch eine Umarmung üblich. Während in Großbritannien Berührung verboten ist. Da gibt es ja die Formulierung: "Don't touch personal things". Hier ist es auch in den Büros nicht üblich, dass man sich jeden Morgen die Hände gibt. In Italien, Spanien und Frankreich dagegen schon.

sueddeutsche.de: Wie schaut's denn mit dem Siezen und Duzen aus?

Uhl-Vetter: In Frankreich bleibt man immer bei der Sie-Form, auch wenn der Vorname angeboten wird. Während wir ja in Deutschland mit dem Vornamen automatisch zum Du wechseln. In Schweden duzt man sich von vornherein. Auch in Großbritannien wird der Vorname schnell angeboten. Aber es ist nicht, wie bei uns, freundschaftlich gemeint, sondern es ist eine Höflichkeitsfloskel.

sueddeutsche.de: Gleichen sich die nationalen Benimmregeln an?

Uhl-Vetter: Nein. Man kann keine Angleichung feststellen. Durch die Globalisierung sind die Umgangsformen in internationalen Unternehmen zwar legerer geworden - unternehmensintern fallen Titel unter den Tisch - aber im Kundenkontakt gilt noch die traditionelle Form.

sueddeutsche.de: Und wie gültig sind nationale Etikette-Regeln? Es gibt ja möglicherweise auch regionale Unterschiede.

Uhl-Vetter: Ja, die gibt es zum Beispiel in Spanien und Italien ganz stark. Man kann keine Nation über einen Kamm scheren, aber man kann Tendenzen feststellen und die verändern sich auch wegen eines vereinten Europas nicht. Die werden immer bleiben, da diese ganz stark an die Kultur und Tradition eines Volkes gebunden sind.

sueddeutsche.de: Wie ernst muss man nationale Etikette-Regeln nehmen? Wird einem ausländischen Geschäftspartner da nicht auch Manches verziehen?

Uhl-Vetter: Sicher, aber das Ziel ist es ja, die Umgangsformen zu kennen, um geschäftliche Erfolge zu haben. Wenn man als Deutscher Gäste aus Europa hat, ist man schon äußerst tolerant. Aber man sollte wissen, wo und warum Missverständnisse entstehen können, damit sie den anderen nicht verletzen. Toleranz gilt nur solange der andere nicht verletzt wird.

Von Elke Uhl-Vetter ist kürzlich im Gabler Verlag das Buch "Business-Etikette in Europa" erschienen.

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