Projekt Selbstständigkeit:Der Lacher zur Mahnung

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Wie ein Werbetexter die Zahlungsmoral seiner Kunden verbesserte.

Christine Demmer

Christof Schössler ist ein ganz Penibler, äußerlich fast ein Pedant. Nicht nur, dass er sich zu Kundenterminen bevorzugt in den dunklen Dreiteiler wirft und über eine reiche Auswahl an farblich passenden Einstecktüchern verfügt. Niemals verlässt der 36-Jährige seine Wohnung ohne sorgfältig gebürstetes Haar und frisch gewienerte Schuhe. Bestimmt ein Jurist, könnte ein Beobachter hinter der Gardine mutmaßen, ein Banker oder Unternehmensberater, das passt ja auch gut nach Düsseldorf, wo Christof Schössler wohnt. Auf jeden Fall einer, der eine Sekretärin hat, einen Dienstwagen und ein Büro mit schwarzem Ledersessel.

"Fast jeder Rechnung muss man mühsam hinterher laufen", sagte Christof Schössler und ließ sich was einfallen. (Foto: Foto: privat)

Zuweilen greift man komplett daneben. Christof Schössler ist Werbetexter und PR-Berater, also einer, der sein Geld mit zündenden Ideen und schwungvoll formulierten Sätzen verdient. Seit sieben Jahren ist er sein eigener Boss und damit auch alleiniger Herr über die Firmenfinanzen. Und besonders das hat ihm in den letzten Jahren um erheblich mehr Schlaf gebracht als das nächtliche Schleifen an zündenden Sentenzen.

"Die Zahlungsmoral der Kunden hat sich, von wenigen löblichen Ausnahmen abgesehen, hundsmiserabel verschlechtert. Fast jeder Rechnung muss man mühsam hinterher laufen, häufig mahnen und dem Kunden mit dem Rechtsweg drohen", sagt Schössler. Besonders schlimm trifft es Dienstleister, die von der öffentlichen Hand leben. Viele Behörden sind so klamm, dass sie nur noch viermal im Jahr zahlen oder es gleich mit den Buchverlagen halten: Da wird traditionell nur einmal im Jahr abgerechnet. Wenn man Pech hat, dauert es viele Monate, bis das Honorar für eine längst erbrachte Leistung auf dem Konto eingeht.

Auch viele Banken und marktmächtige Konzerne verweigern ihren Dienstleistern die pünktliche Bezahlung. "Die nehmen das auf der Rechnung vermerkte Zahlungsziel weder ernst noch zur Kenntnis", sagt Schössler, "sondern zahlen grundsätzlich erst nach 90 oder 120 oder 180 Tagen. Manche Kollegen können sich solche Kunden eigentlich gar nicht mehr leisten, aber was wollen sie machen? Sich etwa neue backen?"

Genervt von der um sich greifenden Hinhaltetaktik verfiel der Werbetexter auf eine Idee, die mit seinem ureigenen Geschäft zu tun hat. Statt der üblichen Tonverschärfung vom nonchalanten Hinweis ("erlaube ich mir, Sie höflich an die Begleichung meiner Rechnung zu erinnern") bis hin zur unverhüllten Drohung ("sehe ich mich gezwungen, den Rechtsweg einzuschlagen") formulierte er originelle Mahnschreiben, die den Empfänger unwillkürlich zum Lachen oder zumindest Grinsen bringen. Etwa so: "Schauen Sie aus dem Fenster. Sehen Sie den winkenden Mann im T-Shirt an der Mauer gegenüber? Das bin ich. Warum ich mitten im Januar kurzärmlig unterwegs bin? Ganz einfach: Hier draußen ist es immer noch viel wärmer als bei mir zu Hause. Da fehlt derzeit einfach die Kohle für den Ofen. Aber à propos Kohle..."

Zur prompten Zahlung führte auch: "Liebe Frau Meyer. Meines Wissens sind Sie doch eine große Katzenfreundin. Darum eine Bitte: Würden Sie meinen wunderschönen, rot gestromten Kater vorübergehend in Pflege nehmen? Ich selber kann ihm derzeit keine artgerechte Haltung mehr bieten, seit gestern wegen der immer schlechteren Versorgungslage in der Küche unter lautem Protest auch die letzte Maus aus meiner Wohnung gezogen ist. Sollte Ihnen diese praktische Unterstützung jedoch nicht möglich sein, würde es Katerchen auch helfen, wenn Sie alternativ vielleicht einfach jene Mäuse überweisen könnten, nach denen sich Samtpfote so sehr sehnt."

Erfreuliche Folge: Die meisten Kandidaten griffen spätestens am nächsten Tag zum Telefon und wiesen ihre Buchhaltung an, die fällige Überweisung doch bitte vorzuziehen. Man könne den Lieferanten doch nicht so hängen lassen. Wie stünde man denn da? Wenn sich das womöglich herumspräche? Und die netten, humorvollen und von Schuldgefühlen geplagten Kunden vergaben zum Trost gleich noch einen Folgeauftrag.

Obwohl ja offiziell niemand über so etwas spricht, haben die wirkungsvollen Mahnbriefe mittlerweile im Rheinland die Runde gemacht. Und so kam es, dass der Texter im letzten Jahr den ersten Auftrag erhielt, Mahnbriefe für einen gleichermaßen geplagten mittelständischen Betrieb zu entwerfen. Es funktionierte, weitere Kunden klopften an.

Heute macht Schössler knapp 20 Prozent seines Umsatzes mit dem Entwerfen individueller Zahlungserinnerungen für andere Freiberufler und Unternehmen. Einer seiner Auftraggeber fragte ihn einmal, ob es nicht illoyal sei, einen Kunden zur Zahlung anzumahnen. "Nein", sagt Schössler. "Der Mensch arbeitet nun mal für Geld. Wenn Sie Loyalität wollen, kaufen Sie sich einen Hund."

© SZ vom 13.8.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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