Projekt Selbstständigkeit (1):Ratzfatz und die Warterei kann beginnen

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Wer sich selbstständig macht, hat große Pläne und meistens auch eine Menge Probleme: Wie mühsam es sein kann, eine Firma beim Registergericht einzutragen.

Von Christine Demmer

Die Öffentlichkeit, das lernt jeder Public-Relations-Anfänger, pflegt man auf Englisch. PR-Berater brainstormen im Team, pitchen um Accounts, scribbeln an Layouts und texten Leaflets, Booklets oder auch mal ein Coffeetable-Leave-behind. Letzteres ist schlicht ein Faltblatt mit Firmendaten. Wenn eine US-Agentur für den medialen Auftritt eines Kunden verantwortlich ist, dann ist so ein Papier Pflicht: Amerikaner lieben tabellarisch gebündelte Fakten, je mehr, desto besser. Auch in God's own country wird Sankt Bürokratius als Schutzheiliger aller Buchhalternasen verehrt.

"Dann kann's ja losgehen", dachte sich Christoph Lautenbach - dann geriet er in den Behördenlauf. (Foto: Foto: privat)

Zuweilen bringt der Reporting-Wahn der Controller im Headquarter ein Fass zum Überlaufen. Christoph Lautenbach, zuletzt Geschäftsführer einer amerikanischen Kommunikationsagentur in Frankfurt, hatte immer mal wieder mit der Selbstständigkeit geliebäugelt. Raus aus den administrativen Fesseln der Mutter, die Strategie selbst bestimmen und eine eigene Beratungsfirma aufziehen - in Deutschland, auf Deutsch und ohne nervtötenden bürokratischen Aufwand.

Das Frühjahr 2004 schien dafür gut gewählt. Vor Jahresfrist hatte der Bundeswirtschaftsminister eine "Initiative Bürokratieabbau" gestartet und im Takt dazu "Mut zur Selbstständigkeit" gefordert.

Endlich schienen die Politiker begriffen zu haben, dass die behördlichen Auflagen und Formvorschriften in diesem Lande jeden fröhlichen Unternehmergeist in sich aufsaugen. Denn schon die Eintragung einer GmbH verringert den Spaßfaktor dramatisch. Das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz von 1995 versprach, den Zusammenschluss von Freiberuflern kinderleicht zu machen.

Freiberufler im Katalog

"Dann kann's ja losgehen", freute sich der 40-jährige Historiker Lautenbach und tat sich zum Zwecke der Gründung einer eigenen Beratung mit dem promovierten Germanisten und PR-Kollegen Jan Erik Sass zusammen. "Wir wollten möglichst schlank anfangen", sagt Lautenbach. "Eine BGB-Gesellschaft wäre uns aber zu locker gewesen, auch gegenüber unseren Kunden. Und eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung hätte einen erheblichen Gründungsaufwand verursacht. Außerdem sind die Buchführungsvorschriften nach dem Partnerschaftsgesellschaftsgesetz einfacher als die nach dem GmbH-Recht: Es gibt dort keine Bilanzierungspflicht, eine simple Einnahmen-Überschussrechnung genügt." So weit, so einfach.

Anfang Mai 2004 hatte sich das Gründer-Duo mit Unterstützung eines Wirtschaftsanwalts über den Inhalt ihres Partnerschaftsvertrages verständigt. Die Regelungen umfassten gerade mal 20 Paragrafen. "Trotzdem haben wir uns sehr eingehend damit beschäftigt", sagt Lautenbach, "denn wir wollten unserer Partnerschaft von Anfang an auf inhaltlich und rechtlich saubere Füße stellen."

Stundenlang diskutierten die beiden: Was verstehen wir eigentlich unter Beratung? Was bieten wir, was leisten wir, was fordern wir? Wie verfahren wir im Falle einer Trennung, einer längeren Krankheit oder des Todes eines Partners? Wie gehen wir mit Gewinnen und Verlusten um? Was ist, wenn weitere Partner hinzukommen? Der Aufwand habe sich gelohnt, versichert der Berater: "Erst beim Feilen an den Vertragsformulierungen ist uns richtig klar geworden, was Partnerschaft für uns bedeutet."

Am Ende brachte Lautenbach das notariell beglaubigte Schriftstück persönlich zum Amtsgericht und beantragte die Eintragung in das Partnerschaftsregister. Dort, so hieß es, werde nur noch geprüft, ob der Form Genüge getan worden sei. Das ginge ratzfatz, Stempel drauf, und schon könnten sich Lautenbach und Partner beim Finanzamt registrieren, Briefpapier drucken und also ordnungsgemäß auf ihrem Markt sehen lassen. Alles ganz einfach.

Drei Wochen später war noch kein Bescheid in der Post. Auf Nachfrage erfuhren die beiden, dass ihr Antrag zwei Wochen gebraucht hätte, um von der Poststelle im Erdgeschoss zur prüfenden Rechtspflegerin ein paar Etagen höher zu klettern. Die sei als Teilzeitkraft leider chronisch überlastet, aber nur keine Sorge, alles ginge zügig seinen Weg.

Vier Wochen später dann ein Brief: Der Eintragung stünden gewisse Hindernisse entgegen, unter anderen: "Die Partner sind in der Anmeldung mit Geburtsdaten aufzuführen." Außerdem war sich das Amt unschlüssig, ob Kommunikationsberater überhaupt zu den freien Berufen zu rechnen seien. Eigentlich sei das Partnerschaftsgesellschaftsgesetz ja für Ärzte und Architekten und andere Katalogberufe gedacht. Kommunikationsberater hingegen gelten nur als "katalogberufähnlich". Folglich sei zunächst die staatliche Zulassung zur Berufsausübung nachzuweisen.

Falls jedoch eine solche Zulassung nicht erforderlich sei, möge bitte die finanzbehördliche Anerkennung des Freiberuflerstatus beigebracht werden, "in öffentlich beglaubigter Form". Lautenbach und Sass rollten mit den Augen. Denn das Finanzamt bestand auf der vorherigen Eintragung ihrer Partnerschaft beim Registergericht. Und das sei, so weit man wisse, ganz einfach.

Ein Vierteljahr Umsatzausfall

Mittlerweile war es Hochsommer, ein großer Teil des Volkes räkelte sich am Baggersee, andere mühten sich per Telefon und Brief, eine Firma zu gründen. Doch zu arbeiten, Umsatz zu machen und Steuern zu zahlen war ihnen behördlicherseits untersagt. Das Amtsgericht zeigte sich unnachgiebig.

Als alles Reden nichts mehr half, wandten sich Lautenbach und Sass erst an das Institut für Freie Berufe in Nürnberg, wo sie mit gutem Rat versorgt wurden, und danach erneut an ihren Anwalt. Dank dessen Engelsgeduld gelang es schließlich, das Bürokraten-Ping-Pong zu beenden. "Das allein hat uns ein paar Tausend Euro gekostet, und dazu kam noch der Umsatzausfall für das Vierteljahr", sagt Christoph Lautenbach.

Am 9. August 2004 war der Bescheid über die Eintragung im Partnerschaftsregister in der Post, eine knappe Zeile lang, "maschinell erstellt und auch ohne Unterschrift wirksam". Manches geht wirklich ganz einfach.

© SZ vom 30. - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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