Projekt Selbständigkeit:Doppelt gemoppelt hält besser

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Warum ein Allround-Handwerker lieber auf mehreren Hochzeiten tanzt.

Christine Demmer

Mache nie mehr als 20 Prozent deines Umsatzes mit einem einzelnen Kunden! Diesen Ratschlag dürften Generationen junger Betriebswirte gehört und, theoretisch, auch begriffen haben. Doch ob sie sich später im Geschäftsalltag immer danach richten, darf ernsthaft bezweifelt werden. Wer schubst schon einen netten und pünktlich zahlenden Kunden von der Schreibtischkante, wenn der dem Unternehmer mit einer höflichen Verbeugung ein noch größeres Stück seines Umsatzkuchens andient? Wer kann es sich schon leisten, Nein zu sagen?

"Gut in allem Handwerklichen": Thomas Petrasek. (Foto: Foto:)

Thomas Petrasek aus Hollern-Twielenfleth im Landkreis Stade kann das - jedenfalls heute. Bis vor drei Jahren hatte der gelernte Gas- und Wasserinstallateur allerdings noch nie etwas von dieser Grundregel der Betriebswirtschaft gehört. Er zahlte Lehrgeld an das Leben und bekam im Gegenzug die goldene Erfahrungskarte: "Ein Geschäft muss immer auf mehreren Beinen stehen. Dann fällt man wenigstens nicht auf die Nase, wenn eines einknickt."

Auf eigene Rechnung tätig ist Petrasek seit 2000. Davor war er jahrelang als Industriemeister und Kundendiensttechniker bei Clark Gabelstapler beschäftigt, er hatte einen spannenden Job, war viel im Ausland unterwegs und trotzdem die meiste Zeit glücklich verheiratet. Ende der neunziger Jahre ging es dem Unternehmen schlechter, die Arbeit wurde langweilig, die Ehe bröselte vor sich hin. Da zog Petrasek gleich an beiden Reißleinen, der privaten und beruflichen, trennte sich von seiner Frau und kündigte.

"Ich bin ziemlich gut in allem Handwerklichen", sagt der 39-Jährige, "bei Wasser, Gas, Elektro und bei Reparaturen in Haus und Garten macht mir so schnell keiner etwas vor." Fortan firmierte er als selbstständiger Hauswart und Gärtner und warb über Zeitungsanzeigen um Aufträge. Es dauerte nicht lange, bis der erste Kunde, eine große Wohnungsbaugesellschaft, an seine Tür klopfte und ihn mit der Betreuung mehrerer Mietobjekte beauftragte."Das lief von Anfang an sehr gut", sagt Petrasek, "ich bekam immer mehr zu tun, bis nach Hamburg, Harburg und Bremen."

Nichts mehr zu holen

Der Allround-Handwerker stellte die Zeitungswerbung ein. Eineinhalb Jahre lang beglückwünschte er sich täglich zu seinem Entschluss, aus der unselbstständigen Tätigkeit ausgestiegen zu sein, und natürlich zu seinem Stammkunden aus Bremen, dem er eine feste Monatspauschale zu verdanken hatte - alles in allem mehr als ein Drittel seines Jahresumsatzes. Nur dass im Dezember 2001 das Geld für den November ausblieb, fand er nicht gut. Irgendwie war die Zahlung verschütt gegangen. Die Buchhalterin in Urlaub. Alle furchtbar im Stress. Am Telefon wurde er vertröstet: "Kommt noch, da machen Sie sich mal keine Sorgen."

Aber die 1300 Euro kamen eben nicht. Auch im Januar und Februar nicht - da waren es schon drei Monatshonorare -, und die vereinbarte Jahresabschlusszahlung blieb ebenfalls aus. Alle Mahnungen fruchteten nichts. Thomas Petrasek überlegte hin und her: Kann ich dem Kunden glauben? Oder soll ich die Arbeit einstellen? Mich bei anderen Lieferanten erkundigen, ob die ihr Geld bekommen haben? Was mache ich jetzt bloß?

Im Gegensatz zu ihm wusste seine Bank natürlich genau, was sie machen sollte. Sie zögerte keinen Moment und forderte ihn auf, sein Konto umgehend auszugleichen. Ende Februar 2002 machte ein amtliches Schreiben aus der bösen Ahnung Gewissheit: Der Kunde war pleite, da war nichts mehr zu holen. Petrasek wurde zum ersten Mal in seinem Unternehmerleben richtig schlecht.

Neuer Kundenmix

Da kam von seiner Ex-Schwiegermutter ein Tipp: Sie habe gehört, in der Automobilindustrie suche man Industriemeister mit Erfahrung und Reisebereitschaft auf freiberuflicher Basis. Es ging um Qualitätssicherung, wenn ein Band stillstehe, müsse es schleunigst repariert werden, weil man sich keine Produktionsausfälle leisten könne. Ob das nicht etwas für ihn wäre? Seine Hausmeister-Jobs könne er ja weiter betreiben.

Petrasek bewarb sich um den Job, bekam ihn und macht ihn bis heute. Seither ist er im Schnitt zwei bis drei Tage in der Woche als Subunternehmer der Firma Redi-Control in Sachen Qualitätssicherung unterwegs. An den anderen Tagen repariert er Gasboiler, befestigt Briefkästen, kümmert sich um die Blumenrabatte vor Mietshäusern und räumt im Winter den Schnee von Toreinfahrten und Gehsteigen. Sein vielfältiger Auftrags- und Kundenmix hält sein Geschäft stabil, und da will er nichts riskieren. Wenn heute ein Kunde zu ihm käme und ihm einen gut bezahlten Dauerauftrag anböte, für den er einigen seiner kleineren Kunden den Laufpass geben müsse? "Kommt gar nicht in Frage", sagt Thomas Petrasek. Gelernt ist gelernt.

© SZ vom 1.10.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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