Prof auf dem Prüfstand:Von faulen und fleißigen Professoren

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Ausgebeutete Doktoranden, Kungelei, schlechte Lehre: Ein Hochschullehrer attackiert seinen eigenen Berufsstand.

Tanjev Schultz

Alle paar Jahre wagt sich ein Professor aus der Deckung und attackiert den eigenen Berufsstand. Er nimmt in Kauf, von Kollegen geschnitten zu werden, dafür ist ihm die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit sicher. Der letzte große Angriff liegt vier Jahre zurück, da beklagten sich die Professoren Roland Siegrist und Uwe Gerdes über die Mauschelei bei Berufungsverfahren und die miese Arbeitsmoral beamteter Wissenschaftler. "Die können 30 Jahre faulenzen", tönten sie.

Beliebtes Ziel des Spotts und Neids: der deutsche Prof. (Foto: Foto: iStockphoto)

Nun ist es wieder so weit. Uwe Kamenz, BWL-Professor an der Fachhochschule (FH) Dortmund, hat gemeinsam mit dem Wirtschaftsberater Martin Wehrle ein Buch geschrieben, dessen Titel schon viel verrät: "Professor Untat" (Econ Verlag, 18 Euro). Lehrer als faule Säcke zu beschimpfen, ist ja längst nicht mehr originell (auch wenn frustrierte Eltern immer noch Geld für Lehrerhasser-Bücher herauswerfen). Nun stehen also die Professoren am Pranger. Umfragen zufolge sind ihnen viele Bürger noch immer in großer Ehrfurcht zugeneigt. Doch nun treten Kamenz und Wehrle an und schreiben über "Nebentätigkeitsexzesse", Lobbyismus, Kungelei, fehlende Forschung, einschläfernde Vorlesungen, Ausbeutung von Doktoranden.

Fingierte Stellenanzeige

Das Buch macht also ordentlich Rabatz und lebt dabei vom genüsslichen Ausbreiten extremer Fälle. Den Hinweis, dass es 38.000 Professoren in Deutschland gibt und einem spontan sogar mehr engagierte und vor Gewissenhaftigkeit strotzende Professoren einfallen als dubiose Taugenichtse, kann man sich getrost sparen. Den Einwand kennen die Autoren natürlich schon, und sie beteuern, vor den guten, "tätigen" Professoren müsse man den Hut ziehen - nur vor den "untätigen" solle man sich hüten.

Es ist auch müßig darüber zu richten, ob wirklich, wie die Autoren behaupten, die Hälfte aller Professoren passiv ist und fast jeder Fünfte seine Dienstpflichten mit Füßen tritt. Es ist ja so, dass in kaum einem anderen Beruf die intrinsische Motivation, also das Handeln aus reiner Freude und Interesse an der Sache, so gut wirkt wie bei Wissenschaftlern.

So polternd sich Kamenz und Wehrle auch gebärden: Sie bohren ziemlich zielsicher in einigen offenen Wunden des wissenschaftlichen Lehrkörpers. Das Problem sind nicht (nur) die skrupellosen schwarzen Schafe, die die Autoren mit einer fingierten Stellenanzeige dazu gebracht haben, sich für ungenehmigte Nebentätigkeiten zu bewerben und zu offenbaren, dass sie ihre Professoren-Pflichten mit wenigen Stunden in der Woche zu erfüllen glauben.

Die größten Defizite liegen in den Strukturen der Hochschulen: Berufungsverfahren dauern zu lange, sind wenig transparent und anfällig für Seilschaften - und daran sind nicht etwa nur die Ministerien schuld. Für eine gute Lehre gibt es noch immer zu wenig Anreize, und Professoren tragen kaum Mitverantwortung für die anderen. Sie schauen oft weg, wenn Kollegen für Studenten nicht ansprechbar sind oder schon seit Jahren keinen Aufsatz mehr geschrieben haben. Die Freiheit von Forschung und Lehre wird vielerorts noch so ausgelegt, als sei ein Professor überhaupt keine Rechenschaft darüber schuldig, wie er seine Zeit verbringt.

Kamenz und Wehrle wagen die These, die Leistung der Professoren ließe sich verdoppeln, wenn all die Energie, die in Nebenjobs fließe, für die Hochschule verwendet würde. Dies ist schon deshalb übertrieben, weil es die berüchtigten Nebenjobber nur in einigen Fächern (wie BWL und Jura) gibt. Aber ganz daneben liegen die Autoren sicher nicht - wenn man einmal großzügig darüber hinwegsieht, dass sich die Arbeit an diesem Buch wohl auch nicht umstandslos unter die üblichen Dienstpflichten des FH-Professors Uwe Kamenz bringen lässt.

© SZ vom 5.3.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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