Privatschulen:Große Nachfrage, kleines Angebot

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Ein Fünftel aller Eltern würde seine Kinder auf Privatschulen schicken - wenn es genug gäbe. Zwar können Privatschulen stärker auf die Wünsche der Eltern und Schüler eingehen - doch bessere Leistungen garantieren sie nicht.

Paukstudio für minder begabte Sprösslinge reicher Eltern oder kuschelpädagogisches Refugium für den Nachwuchs der Altachtundsechziger: Privatschulen hatten in Deutschland lange Zeit einen schlechten Ruf, sofern sie nicht gerade zu der Hand voll renommierter Elite-Internate gehörten.

Archivbild der Frankfurt International School in Oberursel. Die Privatschulen können nach PISA den enormen Andrang von Schülern noch schlechter bewältigen als vorher. (Foto: Foto: dpa)

Inzwischen jedoch ist die Nachfrage weitaus höher als das Angebot. 20 Prozent der Eltern würden ihre Kinder laut Umfragen lieber auf eine Privatschule schicken - wenn es denn eine in ihrer Nachbarschaft gäbe. Und die zu Schuljahrsbeginn gerade erschienenen Zahlen des Statistischen Bundesamtes belegen, dass der Trend zur Privatschule anhält.

Ein Zuwachs von 36 Prozent

Über 605.000 Kinder und Jugendliche besuchten im Schuljahr 2003/04 eine Schule, deren Träger privat ist - das waren fast 15000 mehr als im Jahr zuvor. Seit 1992 ist die Zahl der Privatschüler um 160.000 gestiegen, das entspricht einem Zuwachs von 36 Prozent.

Mittlerweile ist jede 15. Schule in Deutschland eine Privatschule, vor elf Jahren war es erst jede 22.

Das liegt freilich auch daran, dass Privatschulen in der DDR verpönt waren und in den neuen Ländern nach der Wende eine Gründungswelle einsetzte. Die meisten Privatschulen, von denen es inzwischen 2592 gibt, entstehen in den neuen Ländern. Allerdings ist auch in den alten Ländern ihr Anteil an der Gesamtzahl der Schulen seit 1992 von 5,8 auf 6,8 Prozent gestiegen.

Der Bedarf ist nach Angaben des Bundesverbands Deutscher Privatschulen (VDP) dennoch längst nicht gedeckt. Während im Westen über sechs Prozent aller Schüler nichtöffentliche Schulen besuchen, sind es im Osten erst drei Prozent. "Derzeit reichen die Kapazitäten bei weitem nicht", sagt VDP-Sprecher Bernd Marohn.

Jahrzehntelange Skepsis

Deutschlands jahrzehntelange Skepsis gegenüber Privatschulen und der daraus resultierende Nachholbedarf erklären sich größtenteils historisch. Den Nationalsozialisten waren Schulen, die von Kirchen oder Reformpädagogen wie den Anthroposophen, Montessori-Schülern und dem Landerziehungsheim-Pionier Hermann Lietz betrieben wurden, höchst suspekt.

Fast alle Einrichtungen mussten im Dritten Reich schließen. Ähnlich verfuhr die SED in der DDR.

Heute machen den größten Block der Privatschulen die Sonderschulen aus. Diese werden häufig von Kirchen unterhalten, die Träger von insgesamt der Hälfte aller Privatschulen sind. Doch die Kirchen müssen sparen und reduzieren ihr Engagement. In Ostdeutschland werden derzeit vor allem Waldorf- und Montessori-Schulen gegründet.

Als Gründe für ihre Wahl nennen die Eltern von Privatschülern häufig die Ganztagsbetreuung. Just in diesem Punkt holen die öffentlichen Schulen derzeit jedoch auf. "Mittagessen und Nachmittagsbetreuung sind meist nicht der einzige Beweggrund", sagt Marohn. Viele Mütter und Väter wüssten zu schätzen, dass die Privatschulen besonderen Wert darauf legten, die Kinder ganzheitlich zu erziehen und ihnen Werte zu vermitteln.

Lockmittel Pisa-Studie

Zudem seien viele Eltern mit dem öffentlichen Bildungssystem unzufrieden, das ja auch bei der Pisa-Studie 2001 international vergleichsweise schlecht abgeschnitten habe. Als neuesten Trend nennt Marohn die internationalen Schulen, die möglichst viele Fremdsprachen vermitteln und weltweit anerkannte Abschlüsse wie das "International Baccalaureat" anbieten.

Diese Schulen kosten jedoch bis zu 500 Euro im Monat, weil sie in der Regel nicht staatlich anerkannt, sondern nur genehmigt sind und kaum Geld aus öffentlichen Kassen erhalten.

Wenn sie auch stärker auf die Wünsche ihrer "Kunden" eingehen - bessere Leistungen können die Privaten nicht garantieren. So hat der Frankfurter Pädagoge Manfred Weiß die Pisa-Ergebnisse von Privatschulen untersucht. Auf den ersten Blick schneiden diese zwar besser ab als die öffentlichen.

Keine Garantie für bessere Leistungen

Berücksichtigt man jedoch die soziale Herkunft der Schüler, die in der Regel aus besser situierten Familien kommen, so relativieren sich die Leistungen.

Allerdings gilt das nicht für alle Schulen: Der Nürnberger Erziehungswissenschaftler Olaf Köller hat insbesondere die kirchlichen Haupt- und Realschulen unter die Lupe genommen und herausgefunden, dass deren Schüler beim Lesen sehr wohl besser abschneiden als der Durchschnitt.

"Die kirchlichen Schulen haben das Ziel, auch die Schwachen zu fördern", erklärt Köller das gute Ergebnis. Wenn die Nachfrage so groß ist und Eltern bereit sind, viel Geld zu bezahlen, warum gibt es dann nicht mehr Privatschulen?

Hohe Hürden

Der VDP beklagt seit langem die hohen Hürden, die der Staat vor die Gründung einer Privatschule gesetzt hat. Artikel 7 des Grundgesetzes gewährt zwar das Recht, eine Privatschule zu gründen. Der Träger muss aber dafür sorgen, dass die Schülerschaft sozial ausgewogen ist und niemand benachteiligt wird, etwa weil die Eltern wenig verdienen.

Staatliche Unterstützung für die privaten Schulen gibt es - mit Ausnahme von Hamburg und Hessen, wo neuerdings Zuschüsse teilweise rückwirkend bezahlt werden - erst drei Jahre nach einer Gründung. Für viele potenzielle Gründer bedeutet das eine kaum zu bewältigende finanzielle Durststrecke.

Beim VDP findet man das ungerecht, denn der Staat mache schließlich ein Geschäft, sagt Marohn: Er trage höchstens 70 Prozent der Kosten und spare sich damit die anderen 30 Prozent.

© SZ vom 14.10.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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