Plus- und Minuspunkte für den Professor:Wie war ich?

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Auf der Webseite meinprof.de benoten Studierende ihre Professoren. Manche reagieren verärgert: 30 Dozenten der Münchner Fachhochschule haben sogar rechtliche Schritte angedroht.

Ingo Salmen

Von Markt und Wettbewerb sprechen heute auch Hochschulpolitiker gerne. Gleich zwei Münchner Universitäten kämpfen derzeit im Rahmen der so genannten Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder um den Elite-Status. Und mit der geplanten Einführung von Studiengebühren im kommenden Jahr soll sich auch das Bild von den Studierenden ändern. Diese sollen über die Verwendung der Gebühren mitentscheiden dürfen. "Als Kunden der Hochschule", kündet Wissenschaftsminister Thomas Goppel (CSU) vom neuen Zeitalter, "erhalten die Studierenden mit ihrem Beitrag auch ein zusätzliches Mitspracherecht."

(Foto: Foto: ddp)

Wenn sich Studierende nun aber selbst das Recht herausnehmen, als kritische Verbraucher aufzutreten, stoßen sie rasch auf Widerstand. So geschehen an der Fachhochschule München. Bis vor kurzem konnten Studierende auf der bundesweiten Internetseite www.meinprof.de auch die Lehre der FH-Dozenten öffentlich bewerten, einzelne Vorlesungen und Seminare etwa nach Verständlichkeit, Fairness und Spaßfaktor benoten und auch kommentieren. Dann aber meldeten sich etwa 30 Professoren mit einem Standardschreiben bei den Betreibern der Seite, einer Gruppe von Studierenden der TU Berlin, und verlangten die Löschung ihrer Daten.

Es handele sich hier um eine "Persönlichkeitsrechtsverletzung", da sie "keinerlei Genehmigung" zur Nutzung ihrer Namen gegeben hätten, argumentierten die Professoren. Sollten die Einträge nicht bald entfernt werden, drohten "rechtliche Schritte". Um juristischen Streit zu vermeiden, kamen die Betreiber der Aufforderung nach und löschten die Einträge - und mit ihnen auch gleich die Daten aller übrigen Professoren der FH. Andreas Kühnbach, Vorsitzender des studentischen Konvents der FH, ist davon wenig angetan: "Wir Studenten kaufen nun ein Produkt, ohne vorab über die Qualität informiert zu sein."

Im Grundsatz pochen auch die Betreiber nach wie vor auf die Meinungsfreiheit. Ihre Seite sei gedacht als Service für Studierende, um die Wahl von Lehrveranstaltungen zu erleichtern, sagt Alexander Pannhorst, einer der Initiatoren von meinprof.de. Ferner wolle man dazu beitragen, die Qualität der Lehre zu verbessern. "Unser Ziel ist es, Tranzparenz zu schaffen und durch eine öffentliche Evaluation Professoren anzuregen oder manche vielleicht auch zu zwingen, ihre Methoden zu überdenken." Was sie dazu legitimiert? "Dass Studenten auch als Kunden gesehen werden müssen, gerade im Zusammenhang mit Studiengebühren", meint Pannhorst. Eine Abwägung mit dem Persönlichkeitsschutz sei schwierig, räumt er ein, jedoch verböten die Nutzungsrichtlinien der Website ohnehin beleidigende Kommentare.

Mittlerweile haben die Betreiber ein Kurzgutachten eines Medienrechtlers eingeholt. Die Nutzung der Professorennamen ist demnach schon deshalb unbedenklich, weil sie in Vorlesungsverzeichnissen für jedermann zugänglich sind. Auch das Recht der Professoren auf informationelle Selbstbestimmung könne diese Freiheit nicht einschränken, da es ein "nicht zu leugnendes Interesse" der Allgemeinheit gebe, "sich über die Qualität des Lehrangebotes an einer Hochschule zu informieren", und außerdem der Professor weniger als Privatperson denn als "Amtswalter" bewertet werde. "Der Datenschutz kann daher nicht dazu missbraucht werden, unter Berufung auf einen oft vermeintlichen Persönlichkeitsschutz Publizität einzuschränken, für die gute Gründe bestehen", urteilt der Bremer Jurist Lambert Grosskopf.

An anderen Münchner Hochschulen sieht man die umstrittene Website denn auch wesentlich gelassener. Hier verweist man gerne auf die im Hochschulgesetz geregelte Evaluation, die jedoch Professoren vor einer verpflichtenden Veröffentlichung persönlicher Einzelergebnisse ohne Einwilligung schützt. "So hoch haben wir das nicht aufgehängt", sagt etwa Luise Dirscherl, Sprecherin der Universität München (LMU), zu der Seite. Die Internetbewertung sei im Übrigen methodisch nicht sonderlich ausgefeilt.

Die Bedeutung der internen Kritik hebt auch die Universität der Bundeswehr hervor. "Jeder Student kann die Ergebnisse einsehen, nichts ist geheim", sagt deren Vizepräsident Uwe Borghoff. Als Informatiker interessiere er sich freilich für die Seite meinprof.de. Borghoffs ganz persönliche Meinung: "Ich find' sie amüsant." In Zukunft könne sich daraus ein gutes Angebot entwickeln.

In Eigenregie bewerten die Studierenden der Technischen Universität (TU) München Lehrveranstaltungen, "völlig unbeeinflusst von den Professoren", wie Heiner Bubb, Sprecher der Studiendekane, erklärt. Die Evaluation sei Sache der Fachschaften. "Darauf haben wir keinen Einfluss." Johannes Horak, Sprecher des Fachschaftenrats, lobt folglich die Kooperationsbereitschaft der Lehrenden, die oft sogar einer Veröffentlichung individueller Ergebnisse zustimmten. Viele Dozenten seien um eine Verbesserung der Lehre bemüht. meinprof.de hat Horak sich daher noch nicht angeschaut. "Das ist so eine Sache für Unis, an denen die Evaluation nicht funktioniert."

Dass Studierende überhaupt im Internet ihre Meinung äußern, wertet Dieter Frey als "Hilferuf". "Wäre man mit Studierenden im Gespräch, würde es gar nicht so weit kommen", sagt der Sozialpsychologe, der an der LMU auch Kurse anbietet, in denen Dozenten sich im Umgang mit Studierenden weiterbilden können. Dieses Angebot sei ein wichtiger Bestandteil der Exzellenzinitiative der LMU, unterstreicht Frey, der selbst bei meinprof.de mit der Gesamtnote 2,4 geführt wird. "Der Student hat ein Anrecht, dass er das neueste Wissen von seinem Professor so transportiert kriegt, wie er es am besten versteht", sagt Frey. "Es darf nur keine reine Konsumhaltung werden." Bislang sei die didaktische Ausbildung von Hochschullehrern "unterentwickelt". Würde sich daran etwas ändern, wäre nach Freys Ansicht auch ein transparenter Umgang mit Evaluationsergebnissen selbstverständlicher. meinprof.de finde er vor diesem Hintergrund "absolut gut".

Viele positive Bewertungen

Nicht einmal an der Fachhochschule trifft die Seite ausschließlich auf Ablehnung. "Wir hatten auch viele positive Bewertungen, die nun unter den Tisch fallen", kommentiert Wolfgang Döhl, Studiendekan des Fachbereichs Wirtschaftsingenieurwesen, die Löschung sämtlicher Einträge. Und FH-Präsidentin Marion Schick beteuert: "Wir haben kein Problem mit öffentlichen Bewertungen." Selbst der Veröffentlichung persönlicher Ergebnisse der gesetzlich vorgeschriebenen Evaluation, die die FH selbst macht, steht sie aufgeschlossen gegenüber. "Ich wünsche mir eine Diskussion darüber in den Fachbereichen."

Dabei hatte erst Schick die Seite mit einem Rundschreiben intern bekanntgemacht - und gleichzeitig jenen Standardbrief mitgeschickt, mit dem sich die Professoren beschweren konnten. Als Präsidentin habe sie schlichtweg eine "Fürsorgepflicht" für die Dozenten. Schließlich gebe es eine Grauzone zwischen Meinungsäußerung und Diffamierung. Darüber hinaus betrachtet sie vor allem die Manipulierbarkeit der Daten als Problem. Ein passwortgeschützter Zugang, den die Betreiber entwickelt haben, könnte sicherstellen, dass nur Studierende, die eine Veranstaltung tatsächlich besucht haben, auch eine Bewertung abgeben. Im Gespräch mit Alexander Pannhorst will Schick nun ausloten, ob man auf diese Weise eine einvernehmliche Regelung für die FH finden kann. "Wenn man ein paar Qualitätsstandards einhält, scheuen auch die 30 Professoren dieses Thema nicht", ist sie überzeugt.

Mit der Vorstellung von Studierenden als Kunden ist Schick indes nicht glücklich: "Wir sind ja auch keine Verkäufer", sagt sie. "Ich verkaufe keine Bildung."

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