Pisa-Forscher Prenzel:Opfer unfairer Attacken

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Manfred Prenzel, Leiter des deutschen Pisa-Forschungsteams, ist um seinen Job nicht zu beneiden: Kultusminister und OECD sitzen ihm im Nacken, zu Unrecht wird er in die Ecke des Schönfärbers gerückt.

Tanjev Schultz

Früher oder später musste es wohl so kommen. Nun ist der Kieler Bildungsforscher Manfred Prenzel, der das deutsche Pisa-Forschungsteam leitet, in den Strudel einer politisierten Debatte über die Daten und Methoden der Schulstudie geraten. Wer sich als Wissenschaftler auf die heikle Mission einlässt, den Deutschen in Fragen der Bildung einen Spiegel vorzuhalten, wird irgendwann das Opfer heftiger und sogar infamer Angriffe. Diese Lehre kann man leider schon jetzt aus dem diesjährigen Pisa-Spektakel ziehen.

Manfred Prenzel: Er hebt positive Trends in den Schulen hervor. (Foto: Foto: dpa)

Prenzel ist ohnehin nicht um seinen Job zu beneiden. Ihm sitzen die Kultusminister im Nacken; die OECD, die die Pisa-Studien weltweit ausrichtet, zerrt an ihm, und auch Journalisten stürzen sich auf den eher schüchtern auftretenden schmächtigen Mann. Und kaum waren die ersten Ergebnisse der neuen Studie bekannt, teilte sich die Bildungsszene in zwei Lager, in denen es jeweils vor allem auf die richtige Gesinnung ankommt.

Auf der einen Seite stehen jene, die dem OECD-Experten Andreas Schleicher eins auswischen wollen. Vor allem die Kultusminister haben die Kritik, die Schleicher am deutschen Schulsystem übt, allmählich satt. Unionspolitikern ist der Gesamtschul-Befürworter Schleicher ein rotes Tuch. Deshalb kommt es ihnen sehr gelegen, dass Schleicher und Prenzel sich bei der neuen Pisa-Studie in einigen Punkten nicht auf gleiche Analyse-Methoden und auf eine gemeinsame Interpretation der Daten einigen konnten.

So steht nun Schleicher, der die Fortschritte der deutschen Schüler etwas skeptischer sieht als Prenzel, als ewiger Nörgler da. Dadurch aber wird Prenzel im Gegenzug bei jenen, die glauben, dadurch ihre kritische linke Gesinnung unter Beweis zu stellen, in die Ecke eines Schönfärbers gerückt, der es den Ministern möglichst recht machen möchte.

Politisches Theater

Dies grenzt an Rufmord. Die Pisa-Studien werden vom Staat finanziert. Es gibt aber keine Anzeichen dafür, dass Prenzel Daten verfälscht oder in eine Richtung manipuliert hat. Der 55-Jährige, der das Leibniz-Institut für die Pädagogik der Naturwissenschaften in Kiel leitet, genießt in Forscherkreisen großes Vertrauen. Es ist bedauerlich, dass sich die zwei Pisa-Teams - das in Kiel und das der OECD in Paris - nicht einig sind. Genau betrachtet, betrifft ihr Konflikt aber methodische Details, und da gibt es eben oft verschiedene legitime Wege. Auf ihnen führen nun die verschiedenen Akteure ihr politisches Theater auf.

Prenzel ist eher ein Mann der leisen Töne. Dennoch mahnt er unablässig Lehrer und Politiker, die Schulen zu verbessern. Im ,,Aktionsrat Bildung'' hat er sich als Kritiker der Hauptschule hervorgetan. Zugleich ist er so redlich zu sagen, dass man aus Pisa nicht direkt den Schluss ziehen kann, ein integriertes Schulsystem sei dem gegliederten überlegen.

Es gibt gute Argumente für eine Reform der Schulstruktur. Zu erwarten, dass Prenzel dies in seine Pisa-Berichte schreibt, ist jedoch eine naive Zumutung (zu der die Lehrergewerkschaft GEW neigt). Und es ist Prenzels gutes Recht, auch positive Trends in den Schulen hervorzuheben. Wenn ein Glas halbleer ist, darf man sich ruhig einmal sagen lassen, dass es halbvoll ist.

© SZ vom 4.12.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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