Personalaustausch:Wer wechselt, gewinnt

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Was Beamte und Führungskräfte aus der Wirtschaft lernen, wenn sie eine Zeitlang ihren Schreibtisch tauschen.

Von Thomas Hummel

Michael Baum und Detlef Esslinger haben die andere Seite gesehen. Der eine ist Referent im IT-Stab des Bundesinnenministeriums und arbeitete drei Monate in der Deutschen Bank. Der andere ist bei der Deutschen Bank für den Bereich IT-Sicherheit zuständig und wechselte für den gleichen Zeitraum in das Ministerium. Doch Unterschiede in der Arbeitsweise, in der Motivation der Mitarbeiter oder im Aufgabenbereich spürten sie kaum. Es sei alles sehr ähnlich gewesen, berichten beide. Auch das alte Vorurteil vom faulen Beamten könne er überhaupt nicht bestätigen, sagt der Bankangestellte Esslinger.

Baum und Esslinger haben an einem Personalaustausch zwischen den Bundesministerien und der Industrie teilgenommen, der im vergangenen Jahr begann und nun ausgeweitet werden soll. Führende Beamte und Firmenmitarbeiter sollen dabei die Möglichkeit erhalten, für zwei bis zwölf Monate vom öffentlichen Dienst in die Privatwirtschaft zu wechseln und umgekehrt.

Ziel sei vor allem der Austausch von Know-how, eine kontinuierliche Kontaktpflege beider Seiten und eben der Abbau von Vorurteilen, sagt Michael Stein, Projektkoordinator der Deutschen Bank. Deshalb kämen auch nur "gute, junge Leute" und designierte Führungspersonen für einen Transfer in Frage. Neben dem Geldinstitut beteiligen sich derzeit die Unternehmen BASF und Volkswagen an dem Programm. Lufthansa, Siemens und Daimler Chrysler zeigen konkretes Interesse. "Wir sind aber durchaus offen für weitere Kandidaten", sagt Stein. Auch mittelständische Unternehmen seien eingeladen. Bundesinnenminister Otto Schily ist überzeugt: "Beide Seiten können durch den Personalaustausch viel voneinander lernen."

Dahinter verbirgt sich ein Streben des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft, die Barrieren zwischen den bisher strikt getrennten Berufsfeldern ein wenig durchlässiger zu machen. So zielt das Ministerium unter der Überschrift "Moderner Staat - Moderne Verwaltung" darauf ab, das Tarifrecht für den öffentlichen Dienst in Bund und Kommunen derart zu verändern, dass der Personalaustausch mit der Privatwirtschaft erleichtert werde, wie Schily erklärte.

Größtes Hindernis dabei ist der Verlust von lukrativen Rentenversicherungsansprüchen der Beamten bei einem Wechsel zu einem privaten Unternehmen. Wer bei einem Stellenwechsel viel Geld verliert, der überlegt sich den Schritt genau. "Wir sind in den Tarifverhandlungen mit der Gewerkschaft Verdi im Gespräch, dass diese Ansprüche auf irgendeine Art und Weise erhalten bleiben", sagt Manfred Schmidt, Abteilungsleiter im Bundesinnenministerium. Auf der anderen Seite sei ein Einstieg in den öffentlichen Dienst praktisch nur bis zu einem Alter von 35 Jahren möglich. "Für Ältere gibt es hohe Hürden", so Schmidt. Auch das solle geändert werden.

Bäumchen wechsel dich!

Vor allem aus diesen Gründen seien "bisher der öffentliche und der private Sektor relativ abgeschottet", sagt Stein. Da sei auch das derzeit laufende Transferprogramm nur "ein Mini-Trippel-Schritt", um dies zu ändern. Steins Vision ist es, dass es irgendwann möglich sein soll, problemlos zwischen den beiden Bereichen hin und her zu springen und einen Teil seiner Berufslaufbahn hier, den anderen dort zu verbringen - wie das zum Beispiel in Frankreich, Großbritannien oder den USA schon der Fall ist. Eine solche Öffnung würde am Ende beiden Seiten helfen.

Für Esslinger und Baum waren die Monate des Jobwechsels "persönlich eine sehr gute Erfahrung", wie beide sagen. Da sich Ministerium und Bank gut auf die jeweils neue Arbeitskraft vorbereitet hatten, ihnen eine ihrer Ausbildung entsprechende Stelle zuwiesen, seien sie sofort in die Arbeitsabläufe integriert gewesen und hätten sich als vollwertige Mitarbeiter beteiligen können. "Ich war nicht im Ministerium, um mich mal wie ein Praktikant umzusehen", sagt Esslinger. Weder er noch Baum berichten von negativen Erfahrungen. Umstellen mussten sie sich allein in der Sprache: Während in der Bank das Kürzel IT englisch, also "ei-ti", ausgesprochen werde, bevorzugten die Beamten im Bundesinnenministerium den deutschen Ausdruck "i-te".

Dass Baum und Esslinger in der gleichen Branche arbeiten und jeweils für den gleichen Zeitraum in das Ressort des anderen wechselten, sei jedoch Zufall, meint Projektkoordinator Stein. Normalerweise gebe es für den entsendenen Arbeitgeber keinen adäquaten Ersatz. "Der ausgeliehene Mitarbeiter muss auch normal weiterbezahlt werden", sagt Stein, "dafür kommt er mit neuen Erfahrungen und Kontakten wieder zurück."

Ob das Programm weiterlaufen werde, hänge allein davon ab, ob sich genügend Abteilungsleiter und Vorstände bereit erklären, einige Monate auf ihre Mitarbeiter zu verzichten. Doch der Projektleiter ist zuversichtlich, dass künftig sogar mehr Betriebe zu der Überzeugung kommen, von einem solchen Austausch langfristig zu profitieren. Für das kommende Jahr sei der Tausch von 15 Beamten aus mehreren Ministerien mit 15 Angestellten aus der Wirtschaft geplant. Und Stein sagt: "Es sieht so aus, als würden sich noch mehr Unternehmen anschließen."

© SZ vom 30.4.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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