Neue Pisa-Studie:Nichts dazu gelernt

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Fast jeder Zweite ist nach einem Schuljahr keinen Deut schlauer als zuvor. Wie eine neue Pisa-Studie zeigt, sacken einige in ihren Leistungen sogar ab.

Tanjev Schultz

Eine Pisa-Folgestudie nährt neue Zweifel an der Effektivität des Schulunterrichts in Deutschland. Ein Großteil der getesteten Jugendlichen zeigt innerhalb eines Schuljahres keine Lernfortschritte. In den Naturwissenschaften haben nur 44 Prozent ihre Leistungen zwischen dem neunten und zehnten Schuljahr verbessert, in Mathematik sind es etwa 60 Prozent. "Auf die Frage, was sie in einem Jahr Mathematikunterricht gelernt haben, müssten etwa 40 Prozent der Schüler mit "nichts" antworten", heißt es in der Studie, die an diesem Freitag von der Kultusministerkonferenz vorgestellt wird.

(Foto: Foto: AP)

Für die bundesweite Untersuchung wurden mehr als 6000 Schüler sowohl in der neunten als auch ein Jahr später in der zehnten Klasse getestet. Da die Leistungen der gleichen Jugendlichen zu zwei Zeitpunkten (2003 und 2004) gemessen wurden, können die Wissenschaftler den individuellen Lernerfolg nachvollziehen. Sie sprechen von einem "dramatischen Ergebnis": Viele Schüler stagnierten in ihren Leistungen und hätten im Verlauf des Jahres weder die vom Lehrplan geforderten Kompetenzen entwickelt, noch ihre Grundbildung ausgebaut. Bei acht Prozent der Schüler erkannten die Forscher sogar "deutliche Leistungsabnahmen" in Mathematik. In den Naturwissenschaften verschlechterten sich 19 Prozent.

Die Brisanz der Ergebnisse ergibt sich auch daraus, dass weder Hauptschüler noch Klassenwiederholer in der Stichprobe enthalten waren. Beteiligt waren von vornherein nur die eher leistungsstärkeren Schüler von Realschulen, Gesamtschulen, Gymnasien sowie Schulen mit mehreren Bildungsgängen. Der Ausschluss der Hauptschüler wird damit begründet, dass die meisten Hauptschulen bereits mit der neunten Klasse enden. Für Pisa werden 15-Jährige getestet, in Deutschland sind dies in der Regel Neuntklässler. Dementsprechend konnten die meisten Hauptschüler in der Folgestudie nicht mehr erreicht werden.

Die neue Studie liefert also keinen Beitrag zur Debatte über die Zukunft der Hauptschulen. Sie legt vielmehr nahe, dass der mathematisch-naturwissenschaftliche Unterricht in allen Schulformen verbessert werden müsste. Es könne vermutet werden, dass der Unterricht zu sehr auf bestimmte Schüler ausgerichtet sei, schreiben die Forscher. Es müssten aber alle Schüler gefördert werden.

Möglich sind außerdem Aussagen darüber, ob Jugendliche mit langer Computer-Erfahrung besser in Mathematik abschneiden. Dies hatte eine Pisa-Sonderstudie der OECD Anfang des Jahres behauptet. Die neue Untersuchung widerspricht nun diesem Befund; es gebe keinerlei Zusammenhang. Pisa steht für "Programme for International Student Assessment", ein von der OECD koordiniertes Programm zur Messung von Schülerleistungen. Verantwortlich für die Vertiefungsstudie ist das deutsche Pisa-Konsortium unter der Leitung von Manfred Prenzel. Die Kultusministerkonferenz wollte die Ergebnisse am Donnerstag noch nicht kommentieren.

© SZ vom 17.11.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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