Neue Berufe:Der Schädlings-Manager

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Es bewegt sich was auf dem Arbeitsmarkt. Ständig entstehen neue Berufe. Einige bleiben unbemerkt, andere kennt jeder, obwohl es sie offiziell gar nicht gibt. Über Manager, IT-Experten und Schlosser - die eigentlich ganz anders heißen.

Von Nicola Holzapfel

Dieses Jahr ist es der Schädlingsbekämpfer. Vergangenen Sommer war wohl die "Bestattungsfachkraft" der anschaulichste und daher am häufigsten zitierte Beruf, der zum neuen Ausbildungsjahr an den Start ging. "Seit 1996 sind mehr als 200 Ausbildungsberufe neu geordnet worden, davon sind etwa 50 ganz neu", sagt Folkmar Kath vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Doch wirklich neu sind sie selten. "Das sind oft Tätigkeiten, die bislang über Weiterbildungen abgedeckt wurden", sagt Kath. Bestatter und Kammerjäger gab es schließlich schon bevor beide Berufe in das duale Ausbildungssystem aufgenommen wurden.

Bevor ein neuer Ausbildungsberuf entsteht, müssen sich Arbeitgeber, Arbeitnehmervertreter, Bund und Länder darauf einigen. Im Idealfall dauert das nicht mehr als zwei Jahre. Wer heute nach der Schule eine Lehre machen will, kann zwischen rund 350 Ausbildungsberufen wählen. Viel größer wird die Auswahl auch nicht werden. "Es wird nicht mehr so viele neue Ausbildungsberufe geben", sagt Kath. "Die großen Berufsfelder sind im Grunde alle abgedeckt. In Zukunft wird es vor allem um die Modernisierung bestehender Ausbildungen geben."

Der Helfer ist weg

Ein gutes Beispiel dafür ist der "Werbevorlagenhersteller". "Den Beruf gab es nur fünf Jahre", sagt Andreas Eden von der Bundesagentur für Arbeit (BA). "Er ist durch die technische Entwicklung in der Druckvorstufe einfach überholt worden." Seither wurde das Ausbildungsprofil mehrfach überarbeitet. Inzwischen heißt das Berufsbild "Mediengestalter für Digital- und Printmedien".

Der Öffentlichkeit bleiben diese Änderungen meist verborgen. Die Wenigsten werden wissen, dass der Schlosser heute gar kein Schlosser mehr ist, sondern offiziell "Metallbauer" heißt. Auffallend ist höchstens, dass die neuen und überarbeiteten Ausbildungen plötzlich viel besser klingen: "Es wird eindeutig versucht, Berufsbilder aufzuwerten", sagt Andreas Eden von der BA. "Alles, was auf Hilfstätigkeiten hinweist, verschwindet aus der Berufsbezeichnung." So heißen Zahnarzthelfer inzwischen offiziell Zahnmedizinische Fachangestellte. "Bei Berufen wie Fachinformatiker oder Mikrotechnologe, die beide duale Berufe sind, erkennt man nicht mehr, ob dahinter ein Studium oder eine Lehre steht", sagt Eden. Er befürchtet, dass durch diese Entwicklung Transparenz im Berufssystem verloren geht.

Der zweifache Wirt

Mit der Transparenz ist es in der Arbeitswelt eh nicht weit her. Insgesamt gibt es wohl an die 30.000 berufliche Tätigkeiten in Deutschland. Neben den Berufen im dualen System sind da noch die Ausbildungen an Berufsschulen, staatlich anerkannte Weiterbildungen und eine Vielzahl von Jobs, für die es keinen geregelten Zugang gibt. "Da kommt man schnell zu der Frage: "Was ist eigentlich ein Beruf?", sagt Eden. "Nehmen Sie zum Beispiel den Key Account Manager. Natürlich ist das ein Beruf, aber es gibt dafür keine Ausbildungsmöglichkeit."

Eden ist bei der Bundesagentur für Arbeit zuständig für das Berufenet, eine Online-Datenbank, die fast 6000 Berufstätigkeiten abbildet. Dort werden auch neue Jobs aufgenommen. "Aber das hat nie den Anspruch der Vollständigkeit", sagt Eden. "Alleine wegen der Begrifflichkeit: Heißt es Finanzfachwirt oder Fachwirt für Finanzfragen? Da gibt es für viele Tätigkeiten einen Wust an Bezeichnungen."

Auch viele Anglizismen finden Eingang ins Berufenet. Vom Info-Broker über den Producer bis zum Web-Designer gibt es für viele Berufe Einträge, die beispeislweise durch die IT- und Multimedia-Branche schwirren. Für Stefan Sievers vom Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW) haben die englischen Job-Bezeichnungen Vor- und Nachteile: "Einerseits schafft das im internationalen Bereich eine gewisse Transparenz, aber andererseits gibt es dafür bei uns oft keine klaren Vorstellungen, was sich dahinter verbirgt." Außerdem kann der vermeintlich gleiche Berufe von Land zu Land unterschiedlich sein: "Selbst wenn die Bezeichnung die selbe ist, sind die Ausbildungsinhalte nicht in allen Ländern gleich", sagt Sievers. "Denn die Berufsbildung ist innerhalb der Europäischen Union ganz unterschiedlich. Eine Ausbildung im dualen System wie bei uns gibt es zum Beispiel in Griechenland oder Frankreich gar nicht."

In Deutschland können Schulabgänger inzwischen auch über eine traditionelle Lehre in die IT-Branche einsteigen. Seit 1997 gibt es die vier neuen IT-Ausbildungsberufe Fachinformatiker, IT-Systemelektroniker, IT-Systemkaufmann und Informatikaufmann, für die sich allein im vergangenen Jahr mehr als 16.000 Jugendliche entschieden haben.

Damit Berufseinsteiger auch bei Job-Titeln wie Storyboarder und Multi-Media-Programmierer durchblicken, hat der BVDW vier Tätigkeitsfelder definiert, denen er alle gängigen Berufsbezeichnungen zuordnet. In wenigen Wochen wird eine neue Publikation erscheinen, die darüber informiert, welche Qualifikationen zu welchen Jobs führen.

Der House and Children Manager

Mit dem schön klingenden Titel "Manager" werden nicht nur in der IT-Branche viele Tätigkeiten verknüpft. Ein kurzer Blick in den SZ-Stellenteil reicht, um auf Sales- und Produktmanager, Office- und Junior-, Projekt- und Data-Manager zu stoßen. "Die Bezeichnung "Manager" passt ja auf viele Tätigkeiten. Die "Fachkraft für Facility Management" ist nichts anderes als ein Hausmeister", sagt Eden von der BA. "Theoretisch könnte sich eine Hausfrau 'House and Children Manager' nennen".

Stefan Sievers vom Bundesverband Digitale Wirtschaft hat gerade gemeinsam mit Partnern aus mehreren Ländern im Rahmen eines EU-Projekts versucht, ein länderübergreifendes Berufsprofil, den Web-Content-Manager (einer Art Online-Redakteur) zu entwickeln. "Dabei hat man wieder gesehen, dass der Begriff 'Manager' bei uns teilweise ganz anders verwendet wird als in England", sagt Sievers. "In Deutschland gibt das gar nicht über die Qualifikation oder Hierarchie Auskunft. Oft ist damit nur die Zuständigkeit für einen bestimmten Tätigkeitsbereich gemeint."

Das führt dazu, dass in Deutschland die Manager-Riege für fast jedermann erreichbar sind, ob er nun ein Studium oder eine Lehre hat. "Die Ausbildung ist ja nur das eine. Im Anschluss ist die berufliche Vielfalt sehr viel größer", sagt Eden von der BA. Und so wird aus einer gelernten Industriekauffrau unter Umständen schnell eine Key Account Managerin.

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