Neue Ausbildung:Ehrenrunde für Medizinstudenten

Lesezeit: 2 min

Die neue Approbationsordnung hat für tausende angehende Ärzte unangenehme Folgen: Ihr Studium verlängert sich.

Von Götz Meissner

Vor allem praxisnah soll die neue Ausbildung der angehenden Ärzte sein. Das zumindest ist der Kern der seit diesem Wintersemester geltenden neuen ärztlichen Approbationsordnung (ÄAppO). Doch von diesem Anspruch hat sie schon viel eingebüßt.

Die Übergangsregeln legen nach dem Stand der bereits bestandenen Staatsexamina fest, ob Mediziner, die bereits mitten in der Ausbildung sind, noch nach alten Regeln studieren dürfen und wann die neue Verordnung für sie greift. Doch der Gesetzgeber hat es verpasst, die natürliche Schnittstelle zwischen den ersten vier vorklinischen Semestern und der klinischen Ausbildung zu nutzen, um alt von neu zu trennen. Statt dessen hat er sich in Paragraf 43 der ÄAppO für ein halbes Dutzend Regelungen entschieden, die sich starr an den bisherigen vier Staatsprüfungen orientieren. Die vielfältigen Varianten der Studienpraxis hat er dabei allerdings missachtet - mit unangenehmen Folgen für die Studenten.

Anderthalb Jahre mehr

In Zukunft gibt es statt vier nur noch zwei Staatsexamina. Das kann Studenten, die bis zum Stichtag am 1. Oktober 2003 erst die bisherige Ärztliche Vorprüfung bestanden hatten, vor erhebliche Probleme stellen. "Besonders denjenigen Kommilitonen, die einen Großteil der bisherigen Scheine im klinischen Studienabschnitt schon bestanden haben, jedoch das "alte" 1. klinische Examen noch nicht abgelegt haben, droht durch 15 neu abzulegende Scheine eine unfreiwillige Studienverlängerung von bis zu anderthalb Jahren", moniert Timo Brosig, Sprecher der Interessengemeinschaft Übergangsregelungen (IGÜ), in der sich über 600 Betroffene zusammengefunden haben. Sie befürchten nicht nur Zeitverluste, sondern auch zusätzliche finanzielle Belastungen wegen drohender Studiengebühren und wegfallenden Bafög-Ansprüchen.

Um derlei Folgen für die nach eigenen Schätzungen insgesamt 2000 Betroffenen abzuwenden, hat die IGÜ dem Bundesgesundheitsministerium einen Lösungsvorschlag unterbreitet. Dieser sieht, unter Wahrung aller vorgesehenen Fristen, eine Option vor, nach der sowohl 1. als auch 2. "altes" Examen übergangsweise abgelegt und das Studium somit noch nach bisherigen Regeln beendet werden kann. Dies könnte fristgerecht beschlossen werden - eine Änderung der Bundesärzteordnung, welche in die ÄÄppO eingreift, wird aktuell beraten.

Unlösbar verstrickt

Das Ministerium hat sich bisher noch nicht bei der IGÜ gemeldet. Es scheint, als habe sich der Gesetzgeber in ein Dilemma begeben, in das er unlösbar verstrickt ist: "Wahloptionen in die ÄAppO einzuarbeiten, steht im Widerspruch zu Artikel 12 des Grundgesetzes, der die Berufsfreiheit regelt. Die alternative Forderung, die Übergangsfristen für die betroffene Gruppe nachträglich zu ändern, würde auch alle anderen Studierenden dazu verpflichten, bis September 2006 nach altem Recht weiter zu studieren. Das wäre ein Eingriff in das ebenfalls verfassungsrechtlich geschützte Vertrauen derjenigen, die ihr Studium bereits auf das neue Recht ausgerichtet haben." erklärt Heinz Haage vom Ministerium.

Die mangelnde Voraussicht des Gesetzgebers trifft aber nicht nur die Beteiligten sondern auch den Steuerzahler hart: Dieser muss schließlich die pro Student anfallenden Kosten von gut 14.000 Euro pro Semester finanzieren. Dass sich zudem, bei sinkenden Absolventenzahlen bereits heute ein dramatischer Ärztemangel abzeichnet, erscheint in diesem Zusammenhang als ganz schön praxisfern.

© SZ vom 19.4.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: