Mode-Design:Maßnahmen für den guten Schnitt

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Adeline Marx und Nina Mack, Mode-Designerinnen: "Ein gelungenes Kleid wirkt wie eine Aura".

Susanne Hermanski

(SZ vom 1.10.2001) Es gibt keine eigene Muse für die Mode. Aber vermutlich hatten Klio, Thalia, Polyhymnia und wie sie alle heißen nie eine andere Wahl, als ein gerafftes, umgürtetes Hängerchen der Marke griechische Antike zu tragen. Andernfalls hätten die Töchter des Zeus sicher eine aus ihrer Mitte abgestellt, um die Modemacher zu küssen. Wer wie Adeline Marx und Nina Mack die schöne Kunst beherrscht, mit Nadel und Faden seine Werke zu schaffen, mag seine Arbeiten nie in den großen Museumshallen dieser Welt hinter Panzerglas wiederfinden. Aber er wird sehen, wie sie über die Straße laufen, übers Parkett eines Ballsaales schweben und ihre Trägerin am Traualtar schleierhaft schön erstrahlen lassen.

Zwei Models in Prada (Foto: N/A)

Adeline Marx und Nina Mack haben gerade eine junge Frau verabschiedet, die zur zweiten Anprobe ihres Brautkleides gekommen ist. Etwas ganz Besonderes will sie haben für den Tag der Tage, etwas Einzigartiges, Umwerfendes. Etwas Besonderes, das sind alle Kleider von "Mac Max", wie die beiden jungen Designerinnen ihr Label nennen. Etwas Einzigartiges, das wollen alle, die die Schwelle zu ihrem schlichten Laden-Atelier in der Georgenstraße überschreiten. "Wir waren gar nicht so focussiert darauf", sagt Adeline Marx, "aber wir sind die Brautmacher geworden."

Jeder Einsteiger in diesem Beruf suche seine Nische, doch die Resonanz der Kunden habe ihnen jede Entscheidung abgenommen: "Während die Zahl der Hochzeiten weiter rückläufig ist, kommen zu uns immer mehr Bräute. Oder Frauen, die zu anderen festlichen Anlässen ein Kleid brauchen. Das verdanken wir reiner Mund-zu-Mund-Propaganda." Nina Mack nickt, denn die Stimme von "Mac Max" ist ihre Freundin Adeline, die sie vor fünf Jahren auf der Münchner Modeschule Esmod kennen gelernt hat.

Der Kunde als Model

Trotzdem stecken beider Köpfe hinter den Kreationen. Seit zweieinhalb Jahren führen sie ihren Betrieb.

Neben ihrer kleinen Pret-à-porter-Kollektion fertigen sie Unikate, schneidern sie ihren Kundinnen im besten Sinne auf den Leib. "Wir gehen immer von der Persönlichkeit aus", erklärt Adeline Marx. "Es gibt Kundinnen, die lieben exzentrische Auftritte, und andere, die einem Anlass entsprechend gekleidet sein, aber doch nicht aus dem Rahmen fallen wollen." Die damit verbundenen Bedingungen, unter denen sie sich ans Werk machen, empfinden beide Designerinnen durchaus nicht als Hemmschuh für ihre Kreativität. "Das ist wie bei einem Maler, der den Auftrag für das Deckenfresko in einer Kirche erhält. Der kann auch keine Marktszene malen, sondern wird sich auf eine Madonna oder Engelchen konzentrieren müssen. Seine Entfaltung schränkt das nicht ein." Und ein klarer Rahmen facht den Ideenreichtum bekanntlich oft erst richtig an.

Diskretion erforderlich

"Die Kundin steht vor dir und sagt: ,Hier bin ich, dein weißes Blatt'", beschreibt die blonde Adeline, und die dunkelhaarige Nina lächelt wie Mona Lisa. Die beiden teilen nicht nur die Freuden mit ihren Kundinnen, zu denen sie berufsbedingt "eine persönliche Beziehung aufbauen".

"Wir haben auch schon ein Trauerkleid entworfen für eine Dame, die sehr in der Öffentlichkeit steht" - dass sie keinen Namen nennt, gehört für die 36-Jährige zur Diskretion, die ihre Arbeit verlangt. Die Kundin hatte in der nächsten Zeit mehrere Todesfälle im Bekanntenkreis gefürchtet. "Aus Filmen kennen wir die Bilder, wie man als attraktive Frau Trauer repräsentiert. Das ist ein schmaler Grat, und doch sagt die Wahl der Kleidung in so einem Moment viel aus. Das zeigt, dass man die Fassung nicht verliert, und dass man den Schmerz mit Würde trägt."

Leid tragen, Sorgen abstreifen, sich einen Schuh anziehen. Wer sich einkleiden lässt, kommuniziert. Und wenn er einen Schneider hat wie "Mac Max", wird er nicht verkleidet erscheinen: "Wir wollen nicht vordergründig arbeiten. Wenn es gelingt, wirkt ein Kleid wie eine Aura." Aber Adeline Marx ist keine Esoterikerin. Sie bezieht ihre Inspiration aus dem Hier und Jetzt. "Zeitgeschehen und Zeitgeschmack schlagen sich in jeder Arbeit nieder. Politische Entwicklungen und wirtschaftliche Überlegungen, das alles sind die Ideenquellen eines Designers." Und sie persönlich, Tochter eines Künstlers aus dem Badischen, geht auch oft in Ausstellungen, um sich von zeitgenössischer Kunst inspirieren zu lassen.

Wenn sie die Arbeitsschritte für ein Kleid erklärt, wird die Nähe zur Kunst deutlich: "Zuerst wird eine Base auf den Körper modelliert. Die besteht aus Nessel und sitzt wie eine zweite Haut. Das ist eine Art Abguss. Erst dann werden, getreu dem gezeichneten Entwurf, die Details um den Körper drapiert."

Der Designer als Unternehmer

Adeline Marx hat keine Schneiderausbildung. Während Nina Mack nach der Lehre am Residenztheater arbeitete, war sie zunächst an Architektur und Grafik interessiert. Sie eignete sich Schnitttechniken an und sammelte unternehmerische Erfahrungen in einer Filmfirma, die sie mit dem Vater ihres Sohnes aufbaute.

Der unternehmerische Aspekt ist nicht zu unterschätzen, erzählt Adeline. "Als Designer hat man den Kopf immer in der Guillotine, und ein 16- Stunden-Tag ist selbstverständlich." Die Resonanz ist indessen unmittelbar: Kundinnen kommen wieder oder nicht.

Insgesamt nützt kleinen Firmen wie "Mac Max" eine Entwicklung, die Adeline Marx beschreibt: "Leute der Gesellschaft können sich nicht mehr leisten, wie Litfaß-Säulen rumzulaufen." Das heißt, das teure Gucci-Mäntelchen und die Prada-Stiefelchen genügen nicht mehr - wer etwas auf sich hält, lässt nach Maß arbeiten.

Auch wenn nicht jede Kundin die Vorteile erkennt, die die Haute Couture darüber hinaus zu bieten hat. "Neulich hat sich eine Dame beschwert, dass man die Handstiche im Innenfutter als Linie kleiner Pünktchen sehen konnte. Sie meinte, sowas würde ja nicht mal beim billigsten Kaufhausfummel vorkommen..." Adeline Marx hat ihr erklärt, dass es sich mit einem Modellkleid ähnlich verhalte wie mit einem Ölgemälde im Vergleich zum Poster: "Bei Ersterem sieht man auch die Pinselstriche." Bleibt zusammenfassend nur festzustellen, dass Geld nicht vor Unwissenheit schützt. Und dass die Kunst wie seit jeher nach dem Brot geht. Aber zur Entschädigung küsst den Künstler die Muse.

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