Mitarbeiterbeteiligung:Ein Stück vom Kuchen

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Wider die innere Kündigung: Bei einer gelungenen Mitarbeiterbeteiligung geht es nicht nur ums Geld, sondern auch um eine emotionale Bindung an das Unternehmen.

Sebastian Knoppik

Wenn sich ein traditionelles Familienunternehmen plötzlich in der Hand eines internationalen Finanzinvestors befindet, dann ist das für die Bindung der Mitarbeiter an ihre Firma nicht unbedingt förderlich. Ganz anders bei Kolbe-Coloco, einem Druckunternehmen im nordrhein-westfälischen Versmold. Dort hat die Identifikation der Beschäftigten mit dem Unternehmen keineswegs nachgelassen, seit es vor vier Jahren von einem österreichischen Investor übernommen wurde. Zwar fehle manchmal die führende Hand von Unternehmerin Ute Kolbe, sagt Betriebsratsvorsitzender Wolfgang Sandmann: "Aber wir sind immer noch alle Kolbianer." Und diese starke Bindung liegt nach Meinung von Geschäftsführer Uwe Schürmann auch an dem umfangreichen Beteiligungsmodell bei Kolbe-Coloco.

Jeder bekommt einen Stück vom Kuchen: Die Angestellten finanziell am Erfolg der Firma zu beteiligen, ist eine "Win-Win-Situation". (Foto: Foto: ddp)

Schon 1988 wurde in dem damaligen Familienunternehmen Kolbe die Mitarbeiterbeteiligung eingeführt. Die Angestellten können seitdem stille Beteiligungen zeichnen. Dadurch sind sie nicht nur Miteigentümer ihrer Firma, sondern sie haben auch das Recht auf eine Beteiligung am Gewinn der Firma. Durchschnittlich beträgt die Rendite für die mehr als 160 Mitarbeiter stolze 16 Prozent. Theoretisch müssten sie allerdings auch einen Verlust mittragen. "Das ist allerdings glücklicherweise seit 1988 noch nie vorgekommen", sagt Schürmann.

Eine "Win-Win-Situation" für Firma und Angestellte sei das Beteiligungsmodell, erklärt der Geschäftsführer. Neben den monetären Vorzügen für den Mitarbeiter habe auch die Firma einen Nutzen: "Die Motivation, die Identifikation mit dem Unternehmen und auch die Produktivität werden gesteigert.''

Keine Verpflichtung gegenüber der Arbeit

Nach einer aktuellen Umfrage des Marktforschungsinstituts Gallup verspüren 88 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland keine echte Verpflichtung gegenüber ihrer Arbeit. 68 Prozent der Befragten machen lediglich Dienst nach Vorschrift, 20 Prozent haben sogar ihre innere Kündigung bereits vollzogen.

Diese schlechten Werte der Mitarbeiterzufriedenheit könnten nach Meinung von Heinrich Beyer, Geschäftsführer der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP), deutlich verbessert werden, wenn mehr Unternehmen ihre Arbeitnehmer am Erfolg des eigenen Unternehmens partizipieren lassen würden: "Sie schaffen einen betrieblichen Zusammenhalt, Kommunikation, Innovationskraft und Bindungsfähigkeit verbessern sich." In der AGP sind etwa 4000 Unternehmen vertreten, die Mitarbeiterbeteiligung praktizieren.

Bei Firmenchefs stößt Beyer immer wieder auf Widerstände gegen die Beteiligung der eigenen Mitarbeiter am Unternehmen: "So mancher hat die Befürchtung, dass seine Eigenschaft als Unternehmer eingeschränkt wird." Und tatsächlich ist Mitarbeiterbeteiligung in deutschen Unternehmen eher die Ausnahme. Nach einer Studie des Nürnberger Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) beteiligen nur neun Prozent der Betriebe hierzulande ihre Mitarbeiter am Gewinn, lediglich zwei Prozent lassen ihre Angestellten am Kapital partizipieren. Nur ein Prozent der Betriebe kombiniert beides.

Deutschland liegt damit europaweit im Mittelfeld. Große Unternehmen machen häufiger Gebrauch von solchen Modellen als kleine Betriebe. Besonders verbreitet sind sie bei Kreditinstituten und Versicherungen, aber auch Versorgungs- und Bergbaubetriebe sind überdurchschnittlich häufig dabei.

Beteiligungsmodelle sind Teufelszeug

Ein Grund für die Zurückhaltung könnte auch die bisherige Haltung der Gewerkschaften zu dem Thema sein. Als "Teufelszeug" würden viele Arbeitnehmervertreter die Beteiligungsmodelle immer noch ansehen, gibt Heike Kauls zu, die beim Deutschen Gewerkschaftsbund das Projekt "Mitbestimmung und Teilhabe" leitet. "Dabei ist prinzipiell nichts gegen Beteiligung der Mitarbeiter einzuwenden", sagt Kauls.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Mitarbeiterbeteiligung in Krisenzeiten funktioniert.

Wahrscheinlich schon nächste Woche wird sich die Regierungskoalition endgültig darüber einigen, wie die Kapitalbeteiligung von Mitarbeitern besser gefördert werden kann. Der SPD schwebt dabei die indirekte Beteiligung durch einen sogenannten "Deutschlandsfonds" vor, mit dem Mitarbeiter gleichzeitig Anteile an vielen Firmen zeichnen können. So soll das Risiko minimiert werden. Die Union möchte hingegen möglichst, dass die Beschäftigten direkt an ihrer Firma beteiligt werden.

"Man sollte das eine tun, ohne das andere zu lassen", zeigt sich Gewerkschafterin Kauls für die Vorschläge der Politik offen. Der Mitarbeiter sollte dabei selbst entscheiden können, ob er sein Geld lieber ins eigene Unternehmen steckt oder in einen Fonds, bei dem durch die Streuung über viele Betriebe das Risiko klein gehalten wird. Allerdings müsse es auch bei der direkten Investition in das eigene Unternehmen eine Sicherung geben, die den Mitarbeiter vor Insolvenz schützt.

"Das ist in den Unternehmen überhaupt kein Thema. Da fragt niemand nach einer Insolvenzsicherung", entgegnet AGP-Geschäftsführer Beyer. Zudem entfalteten sich die Vorteile der Mitarbeiterbeteiligung nur, wenn man an seinem eigenen Unternehmen beteiligt ist. Allerdings dürfe es dabei nicht nur um die materielle Seite gehen. "Eine materielle Beteiligung muss immer mit immaterieller Beteiligung einhergehen. Man muss an mehreren Schrauben ansetzen."

Firmenphilosophie: Kooperative Unternehmensführung

Ein Prinzip, das der Solartechnikhersteller SMA in Niestetal bei Kassel offenbar verinnerlicht hat. Seit das Unternehmen 1981 von drei Studenten gegründet wurde, bekommt nicht nur jeder Angestellte 16 Prozent des Unternehmensgewinns ausgezahlt. Im Jahr 2004 wurde die Firma eigens in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, um die Mitarbeiter per Aktie auch am Kapital des Unternehmens beteiligen zu können, wie der SMA-Personalleiter Jürgen Dolle erklärt: "Aber zu unserer Firmenphilosophie gehörte von Anfang an auch eine kooperative Unternehmensführung." So werden die inzwischen etwa 2000 Mitarbeiter unter anderem auf allen Ebenen in Entscheidungsprozesse und Qualitätsoptimierung mit einbezogen und über Veränderungen informiert. Dies sei bei einem stark wachsenden Unternehmen wie SMA mit ständigen Veränderungen besonders wichtig.

Für die SMA-Mitarbeiter macht sich aber vor allem die materielle Seite der Beteiligung bezahlt: Sie können laut Dolle durch die Gewinnbeteiligung Jahr für Jahr eine zusätzliche Zahlung von zwei bis dreieinhalb Monatsgehältern erwarten. In Krisenzeiten kam es allerdings auch schon vor, dass die Firma keinen Gewinn gemacht hat und die Mitarbeiter ausschließlich ihr normales Gehalt bekamen, das sich am Tarif orientiert. Dolle ist überzeugt, dass eine rein immaterielle Beteiligung ebenso wenig bringen würde wie eine rein materielle: "Ich kann nicht sagen, die Mitarbeiter sind umfassend beteiligt, nur nicht am Gewinn."

© SZ vom 19.04.2008/sam - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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